Sprung ins Ungewisse – Teil 33

Hannes saß an seinem Schreibtisch.
Sein Kopf rauchte.
Er warf einen Blick auf die Uhr.
Schon lange nach 18:00 Uhr.
Aber noch kein Ende des Arbeitstages in Sicht…
Hastig trank er von seinem Kaffeebecher.
Widmete sich einem Bericht.
Ein gutes halbes Jahr arbeitete er nun in Wien.
Seit zwei Monaten hatte er auch eine kleine Wohnung hier.
In einer Seitenstraße.
Fünf Minuten von der Firma…
Mechanisch lockerte er seinen Hemdkragen.
Damals war er froh gewesen über diesen Job.
Aber schon bald war ihm erst bewusst geworden.
Was er bei Dr. Schießer aufgegeben hatte.
Das reine Paradies nämlich…

Hannes atmete laut ein.
Das reine Paradies.
Dort war er halbe Tage nur herumgesessen.
Hatte Kaffe getrunken.
Und geschäkert.
Vorzugsweise mit den Kolleginnen.
Hier sah das anders aus.
Pünktlichkeit regierte morgens.
Und abends ein offenes Ende.
Und das bei viel weniger Geld wie in der alten Firma.
Hannes stützte seinen Kopf auf.
Schloss die Augen.
Er war ein Idiot gewesen.
Nichts weniger als das.
Verrückt nach Angelika.
Er hatte vollkommen die Relationen verloren.
Um nicht zu sagen seinen Verstand.
Unfähig zu begreifen.
Angelika hatte nichts übrig für ihn.
Er repräsentierte einen Typ Mann.
Gegen den sie eingestellt gewesen war.
Schon im Vornhinein.
Und er hatte das nicht wahrhaben wollen…

Wie hatte er gesagt?
Steter Tropfen höhlt den Stein.
Er müsste nur hartnäckig sein.
Am Ball bleiben.
Irgendwann würde sie nachgeben…
Welch eine Fehleinschätzung!
Sie traf sich längst mit einem anderen Mann.
Was war damals nur in ihn gefahren?
Diese Intrige zu inszenieren.
Alexa hineinzuziehen…
Genial.
So war ihm sein Plan vorgekommen.
In Wirklichkeit war diese Idee dumm gewesen.
Unverzeihlich dumm.
Jetzt saß er hier.
Und das noch sicher eine Stunde.
Dann würde er heimfahren.
Duschen.
Vielleicht hatte er noch Lust auf ein Bier.
Oder auch zwei.
Vielleicht blieb er auch daheim.
Und schlief ein.
Bei irgendeiner Serie im Privatfernsehen.
Zuletzt war es ihm öfter so gegangen…

Hannes zündete sich eine Zigarette an.
Hastig.
Rauchen war in dieser Firma nicht angesagt.
Nur arbeiten.
Leistung war gefragt.
Einsatz.
Und nicht Schmäh und Lässigkeit.
Die Damen hier nahmen ihn kaum wahr.
Verheiratet.
Oder fix vergeben.
Kein Schmachten.
Keine Anbetung.
Nur Stress.
Zehn Stunden am Tag.
Vielleicht auch länger…
Hannes inhalierte gierig den Rauch.
Dann dämpfte er die Zigarette energisch aus.
Sah wieder auf die Uhr.
Er musste sich noch einmal reinknien.
Er wollte endlich raus hier.
Die kühle Nachtluft spüren.
Und wieder klar denken können.

Wenn er sich erinnerte.
Wie lange er Angelika noch mit seinem Hass verfolgt hatte.
Selbst hier!
Sie war doch Schuld an allem!
Sie allein!
Sie hatte es nicht anders gewollt!
Oder?
Längst wusste er es besser.
Er musste von Sinnen gewesen sein.
Er konnte doch Liebe nicht erzwingen.
Auch wenn sie ihn früher alle angehimmelt hatten.
Die Weiber in der alten Firma.
Diese Frau war anders.
Hatte andere Ansprüche an einen Mann.
Denen er nicht genügte.
Ganz offensichtlich.
Hannes schloss die Mappe.
Fertig.
Faxte den Bericht durch.
Wartetete geduldig auf die Sendebestätigung.
Schlüpfte in den Mantel.
Drehte das Licht ab.
Sperrte die Türen zu.
Die Lichter der Stadt fingen ihn ein.
Es war kalt.
Ein leichter Graupelschauer ging nieder.
Gleich um’s Eck musste ein Punschstand noch offen haben.
Unvermittelt blieb Hannes stehen.
Ein Gedanke brannte sich in seinen Kopf.
Du hast dich selbst aus dem Paradies geworfen!

© Vivienne

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