Bin ich selbstgerecht?

Jemand meinte das.
Nach der Lektüre meiner Gedanken.
Sie erinnern sich vielleicht an den Bekannten von mir.
Den ich neulich erwähnte.
Er konnte sich nicht von meinem Parfümset trennen…
Das ich bei ihm vergessen hatte.
Weil er einmal Mist gebaut hat?
Musste ich mir anhören.
Dabei ging es mir nicht allein darum.
Ich kann mich wehren.
Und als selbständige Frau lasse ich mir ohnehin nichts nehmen.
Nicht so leicht.
Einmal abgesehen davon.
Die Geschichte war schon sehr seltsam…
Und außerdem.
Steter Tropfen höhlt den Stein.
So war es auch bei dem Bekannten.
Das Erlebnis war einfach symptomatisch.
Für vieles.
Das ich mit ihm erlebt hatte.
Wenn ich so nachdenke…
Ich hatte bei ihm immer das Gefühl.
Ich wäre nur wichtig für ihn.
Wenn er mich brauchte…

Wie ich auf das komme?
Ich arbeitete vor Jahren in einer miesen Firma.
Und ich wollte weg.
Verzweifelt.
Ich erinnere mich gut an den lang erhofften Anruf:
Sie haben den Job bei uns!
Ich hätte singen können vor Freude.
Endlich weg von dieser Firma!
Ich verschickte dutzende SMS.
An meine Lieben.
An meine Freunde.
Und auch an ihn.
Viele Leute freuten sich mit mir.
Und schließlich kam auch eine Antwort.
Von jenem Bekannten.
Schön für dich.
Aber wer bist du?
Ich begriff damals sofort.
Er hatte nicht einmal meine Handynummer gespeichert gehabt.
Einmal mehr nicht wichtig genug…
Ich trug es mit Fassung.
Diesen Tag ließ ich mir nicht verderben.
So wichtig war mir dieser Mann auch nie gewesen…

Vielleicht bin ich selber zu pflichtbewusst.
Und messe andere an mir.
Mag sein.
Andererseits.
So mancher weiß es.
Für die Meinen gehe ich durch’s Feuer.
Freundschaft.
Oder Liebe.
Ich nehme das ernst.
Sehr ernst sogar.
Ich nenne nicht jeden Freund.
Und ich öffne mich nicht jedem…
…für die Liebe.
Ich kämpfe wie eine Löwin.
Auf mich kann man sich verlassen…
Felsenfest.
Schon klar.
Nicht jeder steht so ein für die anderen.
Das liegt nicht in jedermanns Natur.
Aber solche Leute passen auch nicht zu mir.
Da bleibe ich als Mensch auf der Strecke…

Pünktlichkeit ist auch so eine Sache.
Lieber nehme ich Unannehmlichkeiten in Kauf.
Als jemanden warten zu lassen.
Vor einiger Zeit wartete ich selber in einem Linzer Lokal.
Eine Freundin wollte gleich kommen.
Zum Tratschen.
Sie kam nicht.
Zweimal rief sie an.
Ich bin schon unterwegs!
Schließlich wartete ich eine Stunde.
Ich war sehr wütend.
Aber dann stand sie da.
Mit schuldbewusstem Blick.
Und überrascht.
Überrascht, dass ich noch da war…
Sie hat mich nie mehr warten lassen.
Ich verstehe, dass es ihr nicht leicht fällt.
Pünktlich zu sein.
Manchen Leuten ist das nicht gegeben.
Aber sie schafft es.
Für mich.
Und das macht es doppelt wertvoll.
Sie zu sehen…

© Vivienne

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