Ein Eintrag ins Tagebuch – Teil 22

Ich liege im Bett.
Ich kann nicht schlafen.
Du schnarchst leise neben mir.
Ganz ruhig.
Ich lausche auf jeden Atemzug von dir.
Sehe, wie sich deine Brust hebt und senkt.
Gleichmäßig.
Und du siehst im Schlaf fast zufrieden aus…
Ich bin durch die Hölle gegangen.
Deinetwegen.
Vier Tage lang.
Als ich nichts hörte und sah von dir.
Du am Handy nicht zu erreichen warst.
Und niemand wusste, wo du bist…

Zuerst habe ich dich verflucht.
Und auch mich selber.
Ich glaubte fest an einen neuen depressiven Schub bei dir.
Unerwartet.
Aus dem Nichts fast.
Bei dieser Krankheit ist alles möglich.
Ich war überzeugt:
Du hast dich wieder zurückgezogen von mir.
Weil du genug hattest.
Von der Welt, die sich dir nur in dunklen Wolken zeigt.
Ich habe geweint.
Ich habe dich gehasst.
Und wünschte mir so, dass du zurückkommst.
Dass du dich meldest.
Und glaubte doch nicht mehr daran.
Es gab keinen logischen Grund, dass du dich nicht meldest.
Dachte ich.
Und es gab ihn doch…

Du warst im Spital.
Eine Platzwunde erinnert noch daran.
Oberhalb des Ohrs.
Ein Randalierer war auf dich losgegangen.
Spät am Abend.
Als du nach einem Kundentermin in eine Raststätte wolltest.
Auf einen Kaffee und eine Kleinigkeit zum Essen.
Der Kerl hat dich angepöbelt.
Und ist auf dich losgegangen, als du einfach weitergingst.
Schlug auf dich ein.
Und nahm dann deine Geldbörse und das Handy an sich.
Mein Gott, wenn ich daran denke…!
Was hätte nicht alles passieren können!
Aber ein Gast hat dich schnell gefunden.
Die Rettung wurde verständigt.
Und bist ein paar Tage im Spital gelegen.
Auf Beobachtung.
Und ohne Möglichkeit zu telefonieren…

Sanft greife ich nach deiner Hand.
Du grunzt leise und drehst dich auf die andere Seite.
Ich weiß noch, wie du heute angerufen hast.
Vom neuen Handy aus.
Ich dachte, ich beginne zu fliegen…
Dieses Glücksgefühl, das ich in mir verspürte.
Die Erleichterung.
Und doch auch den Schock.
Gott sei Dank ist nicht mehr passiert.
Nächste Woche gehst du wieder arbeiten.
Und heute Nacht bist du in meinen Armen gelegen.
Ich wollte dich nicht mehr loslassen.
Nicht mehr hergeben.
Dich nur mehr ganz fest spüren.
Alles nachholen.
Nach der Sorge und dem Kummer.
Und der übermächtigen Angst:
Du wärst wieder weg.
Vielleicht für immer!
Ein kalter Schatten ist auf uns gefallen.
Aber er musste schnell dem Licht weichen.
Dem Licht der Wahrheit…

Den Kerl haben sie erwischt.
Das Geld hatte er schon ausgegeben.
Und das Handy weggeworfen.
Weil der Akku leer war…
Was ist das alles schon.
Ich habe dich vermisst.
Ich habe dich so vermisst.
Ich brauche dich mehr als mein Leben!
Du  bist mein Leben.
Und das weiß ich jetzt…

Vivienne

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