Liebeskrank – Teil 32

Gaby schlendert mit mir durch die Linzer Landstraße.
Freitagnachmittag.
Das Dekor spricht eine beredte Sprache.
Weihnachten lässt grüßen…
Wir reden.
Über dies und das.
Gaby stößt mich an.
Sieh mal!
Ist das nicht ein entzückendes Babyjäckchen?
Wir bleiben stehen.
Wunderschöne Babymode in einer Auslage.
Aber wenn ich ehrlich bin.
Alles noch ein wenig weit weg von mir.
Mir wäre das Schaufenster selber nicht einmal aufgefallen.
Ein komisches Gefühl.
In einem guten halben Jahr werden Frank und ich so einen kleinen Racker haben.
Bub oder Mädel.
Mein Blick verliert sich irgendwo.
Oft scheint das Leben zu stagnieren.
Man bewegt sich und bewegt sich doch nicht.
Und nun bringt fast jeder Schritt Neues…

Ich erzähle Gaby von Gabriel.
…und dann hat er einfach aufgelegt…
Gaby zieht die Augenbrauen hoch.
Du hast ihm vorher nichts von eurem Kind erzählt?
Das musst du verstehen.
Das war sicher ein Schock für ihn.
Ich ziehe die Lippen kraus.
Eine Überraschung?
Ja.
Ganz sicher.
Aber kein Schock.
Ich balle die linke Hand.
Weißt du, was ich denke?
Diese Aussprache neulich war eine Farce.
Irgendwie hat Gabriel doch geglaubt, er kann das Ruder noch einmal herum reißen.
Seine ständigen Anrufe danach…
Jetzt muss er kapieren, dass dieser Plan nicht funktioniert.
Ganz abgesehen davon dass ich mich ohnedies verändert habe.
Sehr sogar.
Ich habe eine andere Einstellung zu ihm…

Eine negative Anspannung in Gaby ist spürbar.
Ich mustere sie intensiv.
Was ist los?
Gaby verschränkt die Arme.
Unter meinem Blick wendet sie sich ab.
Eine leise Ahnung steigt in mir auf.
Sag, bist du verliebt in Gabriel?
Ich bin selber verdutzt über meine Direktheit.
Gabys Augen funkeln mich aufgebracht an.
Treffer!
Irgendwie habe ich es schon länger vermutet.
Schon seltsam, wie sie immer Partei für ihn nahm.
Verständnis für seine Haltung aufbringen konnte.
Gabriel liebt aber nur Frauen, die ihn nicht lieben…
Merkwürdig.
Es gibt solche Menschen.
Gabriel gefiel mir einmal ausnehmend gut.
Ich habe ihn angebetet.
Alles hätte ich für ihn getan.
Aber wirklich wichtig wurde ich ihm erst, als ich ihn verließ…

Wortlos gehen Gaby und ich weiter.
Soll ich mich Gaby darüber sprechen?
Aber sie fühlte sich ertappt.
Der Mensch ist merkwürdig.
Seine Angst vor der Liebe treibt groteske Blüten.
Nur um etwas zu sagen beginne ich zu erzählen…
Von einer Bekannten.
…ich kannte sie aus einem Kurs.
Und sie lief unserem Trainer nach.
Ein großer, schlaksiger Typ.
Jeder wusste, dass er schwul war.
Aber sie glaubte, sie könnte ihn umpolen…
Gaby beobachtet mich von der Seite.
Die Weiber sind schon verrückt…!
Als fiele ihr sonst nichts ein.
Aber sie versteht mich.
Nach einer Weile lässt ihr Ärger nach.
Sorry.
Aber rede bitte nicht mit ihm darüber.
Es wäre mir peinlich…
Peinlich?
Ich schüttle den Kopf.
Warum sollte ich mich über deine Gefühle lustig machen?
Du bist mir doch wichtig!

Ich muss an Anita denken.
Es ist über fünfzehn Jahre her.
Oder bald zwanzig.
Ich ging zur Schule.
Und war verliebt in den Lehrer.
Was habe ich ihn damals angehimmelt!
Anita war eine gute Freundin damals.
Schien es zumindest zu sein.
Aber sie trat meine zarte Liebe mit Füßen.
Machte sich heimlich lustig über mich.
Schlimm diese Tatsache zu erkennen.
Es gibt solche Leute.
Selber todunglücklich brauchen sie das Gefühl.
Dass jemand noch kleiner ist als sie.
So war es bei Anita…

Das Handy läutet.
Frank.
Ich komme später.
Wartest du beim Landesverlag auf mich?
Natürlich warte ich.
Ich stecke das Handy wieder ein.
Gaby lächelt mich warm an.
Etwas verwirrt erwidere ich ihren Blick…
Ja…?
Gaby nickt.
Du bist zu beneiden…
Du hättest dich sehen sollen.
Die Sonne ging in deinem Gesicht auf, als du mit Frank geredet hast.
Du liebst ihn wirklich…

© Vivienne

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