Neue Bohnen Zeitung


von Vivienne  –  Mai 2004



Richard

Der junge Mann mit dem blassroten Haar stand auf.
Ging zum Drucker in die eine Ecke des Büros.
Holte die ausgedruckten Emails.
Las sie oberflächlich durch.
Setze sich wieder.
Nahm die Brille ab.
Wischte sich die brennenden Augen.
Er blickte an den Schreibtisch gegenüber.
Fixierte seine junge Kollegin.
Eine dralle Person.
Mit kastanienbraunem Haar.
Kurz.
Und einer peppigen Rüschenbluse.
Sie würdigte ihn keines Blickes.
Tippte unablässig in die Tastatur.
Das Telefon läutete.
Die junge Frau hob ab.
Firma Gründler & Partner
Viktoria Mahler.
Was kann ich für Sie tun?
Richard zuckte zusammen.
Als die Kollegin seinen Namen aussprach.
Herrn Magister Rupprecht?
Einen Moment ich verbinde.
Oberflächlich blickte Viktoria in sein Gesicht.
Für Sie.
Herr Reinthaler.

Richards Gesicht blieb an Viktorias Augen hängen.
Blaue Augen.
Des blau.
Des lasst se mid gar nix vergleichen…
Das Läuten seines Telefons riss ihn aus den Träumen.
Viktoria hatte verbunden.
Hastig suchte er während des Gesprächs seine Brille.
Registrierte nebenbei.
Wie der Kollege von der Logistik hereinkam.
Patrick Lichter.
Der faule Kerl.
Und mit Viktoria redete.
Flirtete.
Zu oft hatte er schon ihren Blick aufgefangen.
Wenn sie mit dem jungen Kerl sprach.
Und ihr Blick war dann nie oberflächlich.
Im Gegenteil.
Die Augen leuchteten.
Wie ein wunderschöner Edelstein.
Es fiel Richard schwer sich zu konzentrieren.
Auf sein Gespräch.
Auf den Kunden.
Als Herr Reinthaler das Gespräch beendete.
Legte Richard wütend auf.
Lauter als nötig.
Herr Lichter.
Sie sind nicht zum Tratschen angestellt.
Was wollen Sie überhaupt hier?
Patrick rührte sich zunächst nicht einmal.
Beide Hände in den Hosentaschen.
Musterte er den Vorgesetzten fast spöttisch.
Mir wurde gesagt hier wäre was zum Abholen.

Richard wäre am liebsten explodiert.
Aber er beherrschte sich.
Wegen Viktoria.
Und weil er es ich selber schuldig war.
Wie er befand.
Er händigte Patrick einen großen Karton aus.
Das muss heute noch zur Post.
Express.
Haben Sie verstanden?
Lichter grinste unverschämt sein Gegenüber an.
Zwinkerte Viktoria zu.
Und verließ das Büro.
Viktorias Augen leuchteten wieder.
Und das tat Richard weh.
Sehr weh.

Annemarie Gründler leitete die kleine Firma seit ewigen Zeiten.
Na, Richard?
So still heute?
Sie wirken so desinteressiert.
Spukt Ihnen die Mahler im Kopf herum?
Der blasse junge Mann errötete heftig.
Frau Gründler musterte ihren Mitarbeiter.
Eine Weile sagte sie nichts.
Eines möchte ich Ihnen aber schon sagen.
Das Mädel ist sie doch gar nicht Wert.
Vergeudet sich an diesen Lichter.
Rotzfrech und stinkfaul.
Holt sich ständig Geld von ihr.
Die ist ja so dumm…
Annemarie Gründlers Stimme klang sehr verächtlich.
Sie strich sich durch ihre graumelierten Locken.
Und prüfte Richards Gesicht.
Der bei ihren Worten begonnen hatte.
Todtraurig auf den Tisch zu starren.
Ihr Gesicht bekam einen weichen Zug.
Wo die Liebe hinfällt…
Man sucht es sich nicht aus.
Ich weiß.
Frau Gründler verschränkte die Hände.
Sie sind ein guter Kerl, Richard.
Ich schätze Ihre Verlässlichkeit.
Ihre Loyalität.
Und ich werde schauen, was ich für Sie tun kann…

Annemarie Gründler faltete die Kündigung.
Die ihr Patrick Lichter gerade unterfertigt hatte.
Ich sag Ihnen jetzt was, Lichter.
Ihre Kündigung können Sie nicht verhindern.
Ich kann Leute wie Sie nicht brauchen.
Frau Gründler war laut geworden.
Das Gesicht ihres Gegenübers war gerötet.
Vor Zorn.
Vor heftigen Emotionen.
Patrick hatte im Grunde gar keine Lust zuzuhören.
Aber er tat es doch.
Ich bin bereit Ihnen entgegen zu kommen.
Wenn Sie in Zukunft die Finger von der jungen Mahler lassen.
Springt was raus für Sie.
Eine hübsche Summe.
Und ein gutes Dienstzeugnis.
Überlegen Sie es sich, Lichter.
Und wenn Sie einen Entschluss gefasst haben.
Dann kommen Sie in mein Büro.
Annemarie Gründler drehte sich um.
Ging entschlossen nach draußen.
Im Grunde war sie keine Geschäftemacherin dieser Art.
Und dieser Lichter.
Ein echter Kotzbrocken.
Aber es ging ja um Richard.
Diesen netten, wie verkrampften jungen Mann.
Da konnte man noch Kompromisse eingehen.
Und ein wenig Cupido spielen…
Frau Gründler schmunzelte leicht.
Als sie in ihr Büro ging.

Viktorias Augen standen in Tränen.
Was sagst du da?
Patrick Lichter fühlte sich nicht besonders gut.
Es ist aus.
Er konnte Viktoria nicht in die Augen sehen.
Gut.
Ihm war nie so viel an ihr gelegen.
Aber sie hatten immer Spaß miteinander gehabt.
Und sie war immer so weich gewesen.
Ein dralles Mädel halt.
So willig.
Bisweilen hatte er sie gern geküsst.
Auf diese vollen Lippen.
Und nun die Tränen.
Es war ungewohnt.
Wirklich.
Und im Grunde hätte er sie gerne berührt.
So wie er sie immer berührt hatte.
Mit den Fingern sanft durch ihr braunes Haar kämmen.
Aber er konnte nicht.
Er hatte sich auf diesen Handel eingelassen.
Viktorias Ohrfeige spürte er heftig.
Heftiger als er sich das Träumen hatte lassen.
Dann lief sie weg.
Und Patrick hörte sie weiter weinen.

Als Viktoria mit geröteten Augen zur Arbeit kam.
Freute sich Richard wie ein Schneekönig
Er rieb sich heimlich die Hände.
Der Plan von Frau Gründler hatte funktioniert.
Viktoria war am Boden zerstört.
Wie erwartet.
Und er würde sich nun um sie bemühen.
Bald würde sie diesen Lichter vergessen haben.
Sehr bald…
Richard war an diesem Tag besonders freundlich zu Viktoria.
Er brachte ihr eine Tasse Kaffee.
Versuchte beiläufig mit ihr zu plaudern.
Viktoria reagierte wenig.
Aber kurz vor Dienstschluss nahm sich Richard ein Herz.
Darf ich Sie heimbringen, Frau Mahler?
Er war total nervös.
Seine Hände waren feucht vor Schweiß.
Viktoria sah ihn an.
Es kämpfte in ihr.
Dann stand sie auf.
Herr Mag. Rupprecht.
Ich weiß schon sehr lange wie Sie zu mir stehen.
Aber ich möchte Ihnen keine Hoffnungen machen.
Sie sind einfach nicht der Mann von dem ich träume.
Richard erstarrte.
Fühlte sich.
Als würde man einen Dolch durch sein Herz stoßen.
Er ging zu seinem Schreibtisch zurück.
Nahm die Brille ab.
Viktoria lief Minuten später zu ihrem Bus.
Ohne ein Wort.
Und Richard saß noch immer da.
Und bemühte sich um Ordnung.
Ordnung in das Chaos seines Inneren zu bringen…

Vivienne

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