Überflüssig

Brotlos!
Was du machst ist brotlos!
Sie hatte nie etwas gesagt.
Wenn man sie damit konfrontiert hatte.
Brotlos!
Mein Gott!
Sie liebte die Malerei!
Sie liebte es zu restaurieren.
Alte Bilder.
Puppenstuben von Großmama.
Die Leute kamen zu ihr.
Und mancher wollte auch ihre Bilder.
Landschaften.
Menschen im Park.
Gesichter…
Schon klar.
Davon allein konnte sie nicht leben.
Da ein Aushilfsjob.
Bei einer alten Frau den Garten betreuen.
Irgendwie bekam sie das Geld zusammen.
Für die Miete.
Für Essen.
Was brauchte sie schon?
Nicht viel.
Es genügte.
So zu leben wie sie wollte…

Karl.
Er war da immer anderer Ansicht.
Karl.
Ein Schulfreund.
Verehrt hatte er sie immer.
Sie mochte ihn.
Aber nicht so sehr.
Er war nett.
Aber bieder.
Und so penibel…
Sie merkte seine Blicke.
Wenn er bei ihr war.
Missbilligend.
Gebrauchte Kaffeebecher und Teller…
Ungebügelte Jeans.
Aber wozu jeden Tag abwaschen?
Warum immer perfekt gekleidet?
Nein.
Das interessierte sie nicht.
Kein bisschen.
Karl.
Er war so bestimmend.
Du musst etwas Ordentliches machen!
Geh arbeiten!
Fix.
Meinetwegen halbtags!
Aber davon allein…
Da wirst du nie leben können!
Das ist brotlos!
Da war es wieder.
Dieses Wort.
Aber Kunst…
War sie nicht viel schöner?
Lebte sie nicht von sich?
In sich?

Die Krise.
Die Leute.
Sie kauften keine Bilder mehr.
Und der Job bei der alten Frau…
Sie war gestorben.
Das Haus und der Garten…
Alles würde verkauft werden.
Das Geld.
Es reichte nicht mehr.
Irgendwann.
Da würde sich wohl die Bank melden.
Karl.
Er rief an.
Jeden Tag.
Kam immer wieder vorbei.
Zieh doch zu mir.
Ich habe ein großes Haus.
Mit Garten.
Und Vogelgezwitscher…
Das liebst du doch?
Ich wollte es immer…
Du und ich…
Vielleicht soll es sein.
Jetzt…
Seine Stimme klang drängend.

Eine Freundin.
Sie hatte ihr zugeredet.
Warum nicht?
Du hättest keine Sorgen mehr.
Seine Freundin sein…
Ist das wirklich so schlimm?
Er liebt dich!
Und du kannst tun was du willst.
Wie bisher.
Will er dir nicht sogar ein Zimmer einrichten?
Als Atelier?
Das wollte Karl wirklich.
Aber wenn sie an sein Haus dachte…
Kein Stäubchen.
Alles steril.
Sogar die Zimmerpflanzen.
Sie wuchsen pfeilgerade.
Irgendwie steif…
Aber hatte sie nicht Recht?
Die Freundin?
War es wirklich so schlimm?
Karls Freundin zu werden?
Mit ihm zu schlafen?
Von ihm verwöhnt zu werden?

An dem Abend.
Karls führte sie groß aus.
In ein piekfeines Lokal.
Nie zuvor hatte sie so etwas gesehen.
Sie kam sich unpassend vor.
Überflüssig.
Das Essen war wirklich gut.
Aber brauchte sie so etwas?
Sie fühlte sich nicht wohl.
In dieser Atmosphäre.
Immer bedacht nichts falsch zu machen…
Sie waren zu ihr gefahren.
Nachher.
Karl.
Er hatte sie geküsst.
Und langsam ausgezogen.
Aber wie er so keuchte.
Als er auf ihr lag.
Und ihre Beine öffnete.
Da sperrte sich etwas.
In ihr.
Sie stieß ihn weg.
Und warf ihn raus.
Geh!
Geh weg!
Verschwinde!
Ich will dich nicht mehr sehen!

Nein.
Sie würde mit der Bank reden.
Es würde sich etwas finden.
Eine Lösung…
Sie konnte es nicht.
Sich prostituieren.
Quasi.
Für ein sorgenfreies Leben.
Für ein Dasein in Sterilität.
In dem ihre Kreativität gestorben wäre.
Sie brauchte das Chaos.
Sie brauchte es.
Wie eine Blume die Sonne und den Regen.
Sie brauchte sie.
Ihre kleinen Cafés.
Wo sie einen Espresso trank.
Und mit Leuten plauderte.
Echten Leuten.
Nicht wie Karl.
Im Grunde kalt.
Kalt wie sein schönes Haus.
Staublos.
So sauber.
Aber ohne Lebendigkeit.
Überflüssig.
Zu reden mit ihm.
Er würde es nicht begreifen.
Überflüssig.
Es zu versuchen.
Zu leben mit ihm.
So zu leben.
Dass sie gestorben wäre.
Innerlich…

Was für ein Dasein!
Sorglos.
Und einfach überflüssig…

Vivienne

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