Was jung sein für mich heißt

Ich lege Wert auf mein Äußeres.
Ich pflege mich mit Cremes.
Im Gesicht und am Körper.
Seit vielen Jahren.
Die Kosmetikindustrie hat ganz gut an mir verdient.
Obwohl die wirklich teuren Cremes natürlich nicht erschwinglich sind.
Ich versuche auch immer gut gekleidet zu sein.
Schmutzig oder ungebügelt außer Haus?
Kein Thema.
Mit Erfolg.
Viele Leute sagen zu mir.
Man kann dich altersmäßig schwer einschätzen.
Obwohl ich über keine Gardemaße verfüge.
Aber mein Gesicht und mein Hals sind faltenfrei.
Fast zumindest.
Auch ohne Botox.
Oder Straffung.
Meine Haare sind noch nicht grau.
Ein echter Glücksfall.
Ich neige nicht zu schnellem Ergrauen.
Und ich fühle mich geschmeichelt.
Über Komplimente.
Du siehst echt gut aus…
Du wirkst noch recht jung…

Allerdings.
Deshalb bin auch schon vierzig.
Und bisweilen greife ich doch schon gerne nach Make Up.
Und außerdem.
Ich bin kein besserer Mensch deswegen.
Weil ich nicht ganz so alt aussehe.
Wie ich mittlerweile bin.
Absolut nicht.
Über meinen Charakter.
Über meine Verlässlichkeit.
Über meine Hilfsbereitschaft.
Oder über meinen Eifer.
Darüber sagt mein gepflegtes Gesicht nichts aus.
Nicht das Geringste.
Und sukzessive werde ich weiteraltern.
Trotz Cremes.
Trotz eines soliden Lebenswandels.
Und eines Tages.
Werde ich Haarfarbe wirklich brauchen.
Nicht aus Eitelkeit.
Um mit meiner Haarfarbe herumzuspielen.
Sondern weil ich echte graue Haare abdecken möchte.
Das Alter kommt.
Unaufhaltsam.
Selbst wenn ich die Schönheitschirurgie nachhelfen ließe.
Oder regelmäßig zu Botox greifen würde.
Ich bin so alt wie nun mal bin.

Jung sein bedeutet für mich längst etwas anderes.
In einer Welt.
In der du nur jugendlich und schön aussehen darfst.
Attraktiv und begehrenswert.
Die wahre Jugend sitzt aber im Kopf.
In der Geisteshaltung.
Bereit zu sein für alles Neue.
Offen zu sein für frische Ideen.
Und nicht an alten Gesetzen haften bleiben.
Das war doch immer so…!
Jung sein heißt für mich lebendig sein.
Geistig rege.
Voller Überraschungen.
Und nicht ausrechenbar.
Nicht angepasst.
Sondern modern im Denken.
Sich weiter entwickeln.
Und vielleicht irgendwann erkennen.
Das damals – das war falsch.
Sich selbst korrigieren.
Niemals stagnieren!
Und immer auf das Abenteuer Leben stürzen.
Auch mit Achtzig.
Denn das Leben beginnt jeden Tag wieder neu…

So jung kann man sein ganzes Leben bleiben.
Ohne Schönheitsmittel.
Wie man aussieht, ist dabei ganz egal.
Es ist natürlich kein Fehler gepflegt zu wirken.
Aber Äußerlichkeiten sind nicht alles.
Und jung bleiben wir nun mal nicht.
Die Jugend läuft uns davon.
Was immer wir dagegen tun.
Wir wirken nur lächerlich.
Wenn wir uns dagegen sträuben.
Mit aller Gewalt.
Stehen wir lieber zu uns.
Wie wir nun mal sind.
Trainieren wir lieber unseren Verstand.
Und unser Denken.
Daran erkennt man die wahren Jungen…

© Vivienne

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