Da sitzt ein Hans-Olaf Henkel, vormaliger Chef des BDI in Deutschland, dem größten Arbeitgeberverband Europas und verkündet dem etwas sprachlosen Interviewer des Bayrischen Rundfunks Fernsehen Alpha, dass vor diesem ein Mann säße, der seit 15 Jahren völlig freiwillig und unbezahlt gute Taten vollbringe, da er ja gute Aufklärungsarbeit leiste.
Auf die nunmehrige Frage des nun wieder langsam zu Atem kommenden Interviewer, wovon er denn so gelebt habe, bei seiner unbezahlten Gutheit, strotzt Herr Henkel vor Selbstlob, nur um zu verkünden, dass er von seiner IBM-Rente lebte und von dem was er schon zuvor immer schön „zurückgelegt habe“, sein erster Lohn bei „Kühne und Nagel“ wäre ja schließlich 56,00 DM im Monat gewesen!
Hatte er womöglich damals schon hiervon 40,00DM monatlich, „für Später“ zurücklegen können?
Nun, Henkel gilt sogar in grünen Kreisen als Schwergewicht. Hängt ihm gar noch heutzutage der Ruf an, einer der ersten Kapitäne in der Deutschen Industrie gewesen zu sein, der sich das Wort „Umweltschutz“ auf den Schutzhelm gemalt hatte. Auf den putativen Umweltschutzhelm gewissermaßen.
Für überstürzte Ausstiegsszenarien aus der Atomwirtschaft scheint er aber dennoch nicht zu haben zu sein. Auch nicht für solche, wie die von Joschka Fischer angedachten, der schließlich dann auch nur noch dem Ruf des Geldes zu unter anderem, dem RWE, dem Europäischen Stromversorger mit Schwerpunkt auf Energie aus Kernspaltung, folgte.
Man muss allerdings wissen, dass der Mann, der beim Logistiker Kühne und Nagel eindeutig noch nicht einmal „1Euro-Job-Niveau“ gewesen wäre, später Deutschland-Boss vom größten Computerhersteller der Welt gewesen war.
„Na gut, und was soll`s?“, könnte man fragen, wenn nicht gerade diese Szene es wäre, die irgendwie nachdenklich machen muss. Und da nachdenken niemals wirklich schaden kann, denken wir doch einfach mal alle gemeinsam nach.
Wie verpasst man solch einem, mit `nem „intellektuellen Engpass“ Gezeichneten, einen „Bypass“?
Nein, nicht dass jemand denkt, der Mann wäre einfach nur dumm! Ist er beileibe nicht. Der Mann segelt in seiner Freizeit, was ihn einem schon mal richtig sympathisch macht. Der Mann hat auch eine gehörige Portion Charme, was in der echten Welt schon beinahe die halbe Miete ausmacht, wenn einer unbedingt allen gefallen will!
Der Mann findet meist auch kluge Worte.
Na ja, aber nur wenn man unkonzentriert genug hinhört.
Doch wenn man wirklich mal etwas genauer hinhört, gehören auch solche Sätze, wie :
„…man muss die augenblickliche Diskussion um Transferleistungen an leistungsschwächere Schichten, auch mit der augenblicklichen Situation durch die Finanzkrise, in der wir ja nun mal alle stecken, in einen engen Regelzusammenhang bringen…“,
dann erkennt man den Ernst der Lage!
Den Ernst der Lage, der immer dann zutage tritt, wenn es einem bewusst wird, das solche wie Henkel es sind, die die wirklich großen Räder in der Volkswirtschaft drehen. Das es solche, wie Henkel sind, auf die unsere Politiker gerne hören wollen, nur weil sie eigentlich noch weniger von der Materie verstehen, als gemeinhin vom Wähler gemutmaßt.
Auf die Frage des Interviewers, ob die Leistungsbezugsgrenzen von Transfer-Beziehern, also den Arbeitslosen und Sozialhilfe-Empfängern, gemäß Bundesgerichtshofs-Urteil wirklich um bis zu zehn Prozent erhöht werden sollten, antwortet Herr Henkel selbst wissend:
„Also, ich sehe ein, dass jeder ein Recht auf sein Auskommen haben muss. Ich habe auch nichts gegen Transferleistungen, doch bedenken Sie, auch Arbeit muss sich wieder lohnen. Und wenn es keine deutlichen Unterschiede zwischen einem Hilfebezieher und einem Arbeitenden gibt, wird sich das Heer der Arbeitslosen weiterhin ständig vergrößern.“
Wobei er, so vor sich hin gedacht, allerdings absolut Recht hat.
Wenn es zwischen einem Leistungsbezieher mit, sagen wir mal, zehn Kindern und einem Zwanzigjährigen mit Beschäftigung keinen Unterschied im Einkommen mehr gäbe, bliebe dem Zwanzigjährigen doch wirklich nur noch die eine Möglichkeit!
Selber arbeitslos werden und die Ruhezeit für die Produktion von Nachwuchs zu nutzen. Wobei sogar noch den seltsamen Thesen, des noch seltsameren Herrn Thilo Sarrazin genüge getan würden.
Wenn es eben nicht ein Zwanzigjähriger Palästinenser ist.
Doch noch etwas kräftiger nachgedacht, könnte man schlagartig eine sehr wichtige Erkenntnis gewinnen! Diese Henkels und diese Sarrazins leben gar nicht auf demselben Planeten wie wir!
Diese Strategen mit Weitblick vermögen es gar nicht mehr, mit unseren Augen diese Welt zu besehen.
Wenn sie es denn überhaupt mal vermochten.
Also, wenn denn eine Situation tatsächlich mal irgendwo aufträte, dass ein Leistungsbezieher gegenüber einem regulär beschäftigten Arbeiter in Bezug auf das Einkommen besser stehen würde, könnte es auch ganz andere Ursachen haben, als zu hohe Harz IV-Bezüge, nämlich… zu geringe Lohnzahlung!
Das wirkliche Problem scheint mir zu sein, dass reguläre Arbeit und reguläre Löhne heutzutage auszusterben scheinen.
Nicht Deutschland schafft sich ab, wie von Sarrazin geweissagt, sondern Deutsche Politiker schaffen ein leistungsbewusstes Deutschland ab!
Wurden im Zeitalter der Vollbeschäftigung, aus fernen Welten-Gegenden, wie Italien, Spanien, Griechenland und Jugoslawien, später dann auch noch der Türkei, Arbeitskräfte geholt, die Deutschland aufbauten, aufbauten zu Niedrigst-Löhnen, versteht sich, ist man heute tatsächlich schon einen gewaltigen Schritt weiter.
Die Gewerkschaften spielten zur Mitte der Sechziger-Jahre eine große Rolle. Dem unentwegten Fordern nach höheren Löhnen wurde somit von der Industrie mit dem Anwerben von „Gast-Arbeitern“ begegnet. Wobei vorzugsweise in den Bäuerlichen Regionen gesucht wurde.
Wer heute noch behauptet, dass die Gastarbeiter nur geholt wurden, weil es hier an Arbeitskräften mangelte, hat in Geschichte nicht richtig aufgepasst.
Wir hatten ab etwa Anfang 60 das Zechensterben im Saarland und in der Spitze im Ruhrgebiet. Hunderttausende von Bergarbeitern wurden freigestellt, bis Ende der 60er umgeschult. Trotzdem wurden gleichzeitig in Griechenland und sogar in Südkorea, Bergleute angeworben, bzw. junge Leute für Arbeiten unter Tage rekrutiert.
Heute wird uns dieses Anwerben von „Gering-Qualifizierten“, als dringende Notwendigkeit in der Aufbauphase der noch jungen, jedoch boomenden Bundesrepublik verkauft.
Was man so sehen kann, aber nicht unbedingt muss. Bei entsprechend guter Bezahlung hätte es auch im Deutschen Arbeiterpool für jede Gastarbeitern angebotene Arbeitstelle, genügend Bewerber gegeben. Doch die Gäste ließen sich zunächst „einfach billiger halten“.
Die Löhne durften sich nicht „überproportional“ zu den Gewinnen der Industrien entwickeln, so die Devise.
Heute hat man dafür das Instrument der Zeitarbeit und den Taschenspieler-Trick der Leiharbeiterschaft zur Verfügung.
Wer sich nicht mit geringerer Bezahlung abfinden will, bekommt eben keinen „Nachschlag“, sein befristeter Arbeitsvertrag wird halt einfach nicht verlängert.
In den letzten 12 Monaten wurde jeder 4. neue Arbeitsplatz durch einen Leiharbeiter und jeder 2. durch einen Zeitarbeiter (auf maximal 24 Monate begrenzt) besetzt.
Etwa 20% der Beschäftigten unter 25 Jahren verdienen weniger als 5 EURO netto in der Stunde. Immerhin auch noch 10% der Beschäftigten über 25 Jahren.
„Arbeit muss sich wieder lohnen, die Herren Westerwelle und Henkel? Natürlich, ganz meiner Meinung. Nur, für wen?“
Für den Arbeitnehmer ja dann wohl eher nicht, bei solchen Zahlen.
Was darf Arbeit, was muss Arbeit kosten? In der wiedervereinigten Republik?
Wann entwickeln sich Löhne „unproportional“ nach oben?
Oder, wie kann eine an natürlichen Recourcen arme Industrie, überhaupt noch mit einer feindlichen, weil mit Niedriglöhnen gesegnete Umwelt im globalen Wettkampf messen?
Sind staatliche Eingriffe in die Tarifhoheit der Gewerkschaften und Verbände überhaupt das geeignete Mittel der Wahl?
Rechnen wir doch mal nach, zur Abwechslung!
359,00EUR Grundleistung für den einzelnen Hilfeempfänger in der Bundesrepublik
dazu kommen im Schnitt etwa 192,00EUR Miete, die ihm vom Job-Center erstattet werden (Regelmiete zum Jahresende 2010, 45m2 zu je 4,25EUR, die jeder Einzelperson per se zugestanden werden. Bisher wird noch nach dem tatsächlichen Mietpreis abgerechnet. Damit ist aber ab Januar Schluss, wenn man den schon massenhaft verschickten Schreiben der Deutschen Job-Center glauben darf.)
hierzu würden noch etwa 60,00EUR an Heizung für jeden 2-Monat-Zeitraum kommen und hierauf noch etwa 80,00EUR Nebenkosten für Wohnen plus anteilige Krankenversicherung von etwa 200,00EUR.
Macht zusammen etwa 860,00EUR monatlich für jeden arbeitslosen Hilfe-Empfänger/Transferleistungsempfänger. Bei so genannten Bedarfsgemeinschaften, verringert sich dieser Betrag natürlich, wenn auf die Einzel-Person umgerechnet wird. Bedarfsgemeinschaften sind Familien oder mehrere in einer Wohnung zusammen lebende Personen.
Geht man nun von 154 Stunden Vollbeschäftigung im Monat aus (4 Wochen je 38,5 Stunden), kassierte der Arbeitslose vom Job-Center, etwa 5,58 EUR netto, was bei einem Ledigen etwa 8,90EUR brutto stündlich ausmachen würde.
Der Arbeitslose bekommt also tatsächlich 8,90 EUR die Stunde!
Na geht doch! Das mit dem Mindestlohn, meine Herren von der SPD und mein Herr von der FDP und auch Sie, Frau Bundeskanzler in der schicken rosa-roten Robe.
Wir haben ihn doch bereits, meine Herren!
Den Mindestlohn! Den gesetzlich geregelten Mindestlohn, …und doch?
Warum denn dann diese unerklärlichen Verrenkungen, die sich wie die Laola durch alle Fraktionen, mit einer knallroten Ausnahme, ziehen, wenn von einer gesetzlichen Mindestlohnverordnung geredet wird?
Wenn schon wieder mal, wie doch so oft, um „des Kaisers Bart“ gerungen wird. Wenn mal wieder die Quadratur des Kreises beschworen wird, die Macht des Marktes ins Feld geführt wird?
Die aber auch schon so verdammt viele Banken in die Pleite trieb, was dann aber überhaupt nicht zur Diskussion steht, da ja dann der Steuerzahler prompt einzuspringen hat.
Weit ausgeholt, sagt Herr Henkel! Äpfel mit Birnen verglichen, sagt der weitere, hier allerdings angezweifelte Sachverstand derer, die es eigentlich besser wissen müssten?
Nun gut, ich geb`s ja zu, ich polemisiere sehr gerne!
Die von mir Genannten sind gar nicht ganz so dumm, wie sie sich uns meist darstellen.
Die Frau Merkel, der Herr Westerwelle und auch unser Herr Henkel haben immer stets das Ganze im Auge, wenn sie ständig mit der alten Leier kommen, dass sich Deutschland auf gar keinen Fall zu einem Billig-Lohnland entwickeln dürfe.
Es aber auch auf keinen Fall darauf hinauslaufen könne, dass wir uns den Herausforderungen der Zukunft gegenüber verschließen.
Wir also um jeden Preis „wettbewerbsfähig“ bleiben müssen.
Sehr wohl, meine Dame, meine Herren.
Wir werden bleiben! Im Land und auch ganz bestimmt „wettbewerbsfähig“!
Nur, das wird in Zukunft darauf hinaus laufen, dass es zum einen sehr gut Ausgebildete mit guten Einkünften, daneben allerdings, schlechter Ausgebildete mit ganz miesen Einkommensverhältnissen geben wird. Dass die Gesellschaft in sehr kurzer Zeit noch einmal gespalten werden wird.
Wurde früher zwischen Besitzenden, also Landbesitzern und Besitzlosen, also Tagelöhnern und Arbeitern, sowie Bürgern in Städten mit und ohne Grundbesitz unterschieden, wird künftig die Schere noch weiter auseinander gehen.
Hier wird man, wenn nicht schon sehr bald dagegen gehalten wird, künftig zwischen Ergänzungsleistungsbeziehern, so genannten Aufstockern bei theoretischer, aber schlechtenst bezahlter Beschäftigung, Arbeitslosen mit exact dem gleichen Einkommen und den „besser Verdienenden“, also dem ganzen Rest der Gesellschaft zu unterscheiden zu sein.
Zu den Rentnern, zwischen denen sich dann beide oben genannten Gruppen später auch noch verstecken werden, muss gesagt werden, dass hier auch eine satte Verschiebung stattfinden wird, da die Job-Center jetzt schon zur „Früh-Verrentung“ raten.
Was das dann bei einem um zwei Jahre auf 67 verschobenen Renteneintritts-Alter bedeuten wird, braucht hier nicht erraten zu werden.
Beide haben Recht, der allseits zu Recht gescholtene Herr Sarrazin, wegen seiner Rückschlüsse auf genetische Präposition der Unterschicht besonders von Einwanderern aus den Islamischen Ländern Gescholtene, aber auch der oben angeführte Herr Henkel, der sich andauernd selber lobt, nur weil er für Aufklärung sorgt ohne dafür extra zu kassieren!
Aufklärung tut, verdammt noch mal, sehr not. Nur eine aufgeklärte Gesellschaft kann sich wirklich fürchten. Vor allem, was da noch vor ihr liegt.
Nur, die beiden haben nur deshalb Recht, weil ihnen Ihre Weltsicht nur dadurch verstellt wird, dass sie sich niemals herunter trauen zu uns.
Sich also lieber da oben aufhalten, auf ihrem Planeten.
Dort, wo es eben nicht darauf ankommt, dass der wirkliche Volksschädling nicht unter den Leistungsverweigerern mit Niedrig-Einkommen zu finden ist. Sondern, weil sich auf die Unterschicht besser ein „Regelzusammenhang“ anwenden lässt, als die Oberschicht endlich zu einer solidarischen Besteuerung heranzuziehen.
Erst wenn es gelingen sollte, möglicherweise sogar einer schwarzgelben Regierung gelingen sollte, für Steuergerechtigkeit mit erhöhten Spitzensteuersätzen zu sorgen und im Gegenzug einen Mindestlohn festzusetzen, der weit über dem Grundsicherungs-Niveau liegt, kann sich Deutschland als nicht von sich „selber abgeschafft“ ansehen.
Erst dann kann sich Arbeit wirklich wieder lohnen!
Hier, wie von Henkel und Sarrazin gemutmaßt, von der Attraktivität der Beschäftigungslosigkeit auszugehen, kann nur durch absolute Ahnungslosigkeit der Besserverdienenden begründet sein.
Oder durch ständiges Tragen von „Umweltschutzhelmen“, die prächtig vor allzu viel Umwelt schützen und vor allzu viel Selbsterkenntnis.
(A.S. 5.September 2010) chefschlumpf