Sprung ins Ungewisse – Teil 1

Geli sperrte die Wohnungstür auf.
Mit einem seltsamen Gefühl des Fremdelns.
Sie konnte es nicht anders erklären.
Vier Wochen wohnte sie hier.
In der neuen Stadt.
In der neuen Wohnung.
Und daheim fühlte sie sich irgendwie noch immer nicht.
Trotz der neuen Möbel.
Und der alten Bilder und Vorhänge.
Sie schloss die Tür hinter sich.
Ging zum Wohnzimmerfenster.
Öffnete es.
Genuss die frische Abendluft.
Eigentlich hatte sie ja einen Balkon haben wollen.
In der Eile hatte sich aber keine solche Wohnung auftreiben lassen.
Ja, sie hatte es eilig gehabt.
Mit verkrampftem Blick dachte sie an Robert.
Robert…

Fast ein Jahr hatte sie mit ihm zusammengelebt.
Mit Unterbrechungen.
Robert war sehr empfindsam.
Geknechtet in achtjähriger Ehe.
Bis ihn seine Silke endgültig verlassen hatte.
Endlich hatte er sich zu ihr gestellt.
Zu Geli.
Auch wenn er bisweilen wieder mit ihr Schluss machte.
Seine gescheiterte Ehe…
Er musste sie erst verarbeiten.
Und kam immer wieder.
Geli stand auf.
Schloss das Fenster wieder.
So war das hin- und hergegangen.
Es strapazierte ihre Nerven sehr.
Bis er sie erneut verließ.
Silke war wieder gekommen.
Sie winkte.
Robert folgte ihr erneut…
Geli spürte die Kopfschmerzen.
Sie wollte sich nicht aufregen.
Aber das war ihr dann zu viel geworden.
Vor allem als Silke Robert wieder an die Luft setzte.
Nach wenigen Wochen.
Sie genoss ihre Macht über ihn…
Eine Macht, die sie wohl nicht verlieren würde.

Geli begriff damals.
Robert wird mir niemals gehören.
Niemals.
Sie ließ ihn nicht mehr in die Wohnung.
Trotz eines Dutzend roter Rosen.
Und unzähligen Botschaften auf dem Anrufbeantworter.
Ich liebe nur dich.
Es tut mir leid.
Bis zum nächsten Mal!
Geli erinnerte sich nicht ohne Bitterkeit.
Sie ertrug ihre Wohnung nicht mehr.
Und die vertrauten Plätze.
Mit den trauten Momenten zusammen mit Robert.
Eine Freundin brachte sie auf eine Idee.
Ein halbes Jahr zuvor hatte ein Kunde von deren Chef diese abzuwerben versucht.
Mit ihrer Empfehlung wandte sich Geli an den Firmeninhaber.
Und hatte Glück.
Er brauchte tatsächlich gerade jemanden.
Und zwei Wochen später war Geli schon übersiedelt.
Eine neue Adresse.
Eine neue Telefonnummer.
Ein Firmenhandy.

Geli ging mechanisch zum Kühlschrank.
Holte ein Fertiggericht heraus.
Wärmte es mechanisch in der Mikrowelle.
Das gleichmäßige Surren verdrängte ihre Gedanken nicht.
War es falsch gewesen?
Alles aufgeben?
Alles hinschmeißen?
Auch Robert?
Wie so oft die Selbstzweifel.
Auch wenn sie genau wusste:
Robert hatte nie richtig zu ihr gehört.
Sondern nur Silke.
Er war ihr hörig.
Aber das ließ die Zweifel nicht verschwinden.
Immer wieder tauchten sie auf.
Brachten sie aus dem Gleichgewicht.
Fremde Stadt.
Fremde Leute.
Und kein Kontakt zu alten Namen.
Ich will meine Ruhe.
Ich brauche keine guten Tipps.
Nach denen ich mir noch unsicherer bin.
Nein.
Es ist so schon schwer genug…

Die Mikrowelle klingelte.
Geli holte ein Teller.
Besteck.
Und drehte das Licht auf.
Es war jetzt rasch dunkel geworden.
Das Essen schmeckte nach Nichts.
Zumindest nicht nach Essen.
Geli sah auf die Uhr.
Zeit für den Chat.
Hier konnte man noch Leute kennen lernen….
Oder es wenigstens versuchen.
Der halb volle Teller stand auf dem Tisch.
Geli wählte sich ein…

© Vivienne

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