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28.09.2005, © Vivienne

Bemerkenswerte Filme
Die weiße Massai

Zur Zeit läuft ein ungewöhnlicher Film nach einer wahren Begebenheit im Kino und macht mit herrlichen Bildern (Regisseuse Hermine Huntgeburth) Lust auf den schwarzen Kontinent. Die Story, tragische Liebesgeschichte und Kulturkampf zugleich, scheint fast unglaublich zu sein, aber sie wurde von der Autorin selber erlebt, einer Frau, die zweimal Unglaubliches wagte: den Alleingang in eine völlig andere Kultur und die Rückkehr daraus. Ich kann den Film nur uneingeschränkt weiterempfehlen. Zur Story selber: die Schweizerin Carola verbringt mit ihrem Freund Stefan kurz vor Weihnachten einen Urlaub in Kenia. Am letzten Tag kreuzt der charismatische Samburu-Krieger Lemalian den Weg der beiden. Lemalian, ein aufregender, ein faszinierender Mann kann die beiden sogar mit einem Freund aus misslicher Situation retten. 

Carola Lehmann kann eine gewisse Anziehung nicht leugnen, ja sie kann sich ihrer kaum erwähren. Sie besucht nach der Rückkehr ins Hotel mit Lemalian eine Art Disco, wo ihr Stefan schließlich eine Szene macht. Und Carola reagiert. Sie fliegt nicht mit ihrem Freund zurück in die winterliche Schweiz sondern bleibt – um Lemalian wieder zu finden, von dem sie nur eine Fotographie hat. Sie erhält den Tipp sich nach Maralal zu begeben, und dort nach Elisabeth zu fragen. Elisabeth ist eine Deutsche, die ebenfalls dem Ruf der Liebe hierher folgte, allerdings nicht besonders glücklich in einer Beziehung voller Gegensätze lebt. Einer Beziehung, in der die unterschiedliche Hautfarbe noch das geringste Problem darstellt. Sie rät Carola deshalb energisch ab, doch diese begibt sich mit Lemalian in sein Heimatdorf Barsaloi.

Eine mutige Entscheidung, denn in diesem Dorf gibt es weder Strom noch die einfachsten Hygienevorrichtungen. Und Männer wie Lemalian dominieren dieses dürftige Leben, in denen ein Mann nach außen keine Zärtlichkeiten für seine Frau zeigen darf und es ihm nicht erlaubt ist, Mahlzeiten, die von Frauen zubereitet wurden, zu essen. Trotzdem wird nach anfänglichen Schwierigkeiten Lemalian ein zärtlicher Liebhaber von Carola und die Schweizerin bricht schließlich alle Brücken hinter sich ab. Sie holt zuerst alle Ersparnisse in ihr neues Heimatland, dann verkauft sie ihr Geschäft, erwirbt ein altes Auto und macht schließlich hier einen Laden auf.

Die Heirat mit Lemalian, ein großes wie rauschendes Fest, scheint ein persönlicher Triumph für Carola zu werden und markiert den Höhepunkt ihres Glücks. Aber der Gegensatz der Kulturen, der Traditionen und der Weltanschauung eskaliert nach und nach. Es gibt vieles, mit dem sich Carola nicht anfreunden kann, etwa mit der Beschneidung einer Fünfzehnjährigen oder dem Tod einer Schwangeren in den Wehen, der keiner helfen will, weil sie als Hexe gilt. Lemalian selber wird zusehends eifersüchtig auf seine schöne, weiße Frau und erträgt es nicht, seinen Status als Ernährer der Familie verloren zu haben. Dazu kommt das mangelnde Gefühl für Geld und seine Bedeutung dort, wo Carola herkommt – Lemalian gewährt im Laden seiner Frau fast jedem Kredit, weil er nicht begreift, dass der Geldfluss aus der Schweiz nicht unendlich ist.

Immer häufiger kommt es deshalb zum Streit. Lemalian verdächtigt seine schwangere Frau, ihm das Kind eines anderen unterzujubeln. Die Versöhnung und die Freude über die Tochter nach einer dramatischen Geburt in Lebensgefahr dauern nicht lange, die Zerwürfnisse zermürben die beiden zusehends. Fast tragisch ist es anzusehend, wie der einstmals schöne und starke Krieger Lemalian verfällt, mit seinem Status in Bedeutungslosigkeit nicht fertig wird. Carola tritt den Rückzug an – mit ihrer Tochter. Lemalian weiß genau, dass beide nicht zurückkehren werden, als er die Papiere unterzeichnet, die seiner Tochter die Ausreise ermöglichen…

Ein bemerkenswerter Film, ein schöner Film, der aber trotzdem nichts beschönigt und der der Realität und der Härte in diesem Land nicht ausweicht. So gibt es etwa keine romantische erste Liebesnacht zwischen Lemalian und Carola, der Samburu nimmt sie hart und brutal, wie es die Männer seines Stammes gewohnt sind. Beschneidung, Tod, Bestechung oder mangelnde Hygiene sind keine Tabus. Auch die anfängliche Disharmonie mit dem Missionspater Bernardo, den das Leben hier auch schon geprägt hat, wird nicht umgangen. Natürlich gibt es zum Roman einige Unterschiede, darauf möchte ich jeden hinweisen, der nach dem Film Lust auf die literarische Vorlage bekommen hat. Trotzdem bestechen neben der fesselnden Handlung mit tollen Schauspielern vor allem die fantastischen Aufnahmen dieses wunderbaren Landes, die große Sehnsucht in einem wecken – auch in mir. Auf einen Urlaub in Kenia…aber nicht mehr.

Vivienne

 

 

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