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04.09.2005, © Vivienne

Der Umgang mit Kritik 

Wenn man sich traut, im World Wide Web zu agieren, sei es nun mit einer privaten HP oder wie wir, mit einem Literaturforum, muss man sich unweigerlich auch mit Feedback aller Art auseinander setzen. Das kann sehr wohlwollend in Form von Lob und Begeisterung kommen, aber auch in ernsthafter oder im schlimmsten Fall auch in destruktiver Kritik. Wer das scheut, sollte besser seine Finger davon lassen, denn der wird kein leichtes Leben im Internet haben – nur gute und schöne Worte gibt es auch im Leben selber nicht. Kritik gehört zu unserem Dasein wie die die Sonne zum Tag, und wer schöpferisch und kreativ arbeitet, muss sich noch viel mehr damit auseinandersetzten.

Vor einiger Zeit postete ich wieder auf einem Online-Medium, auf dem ich gelegenheitshalber unterwegs bin, das heißt, ich kommentierte den ersten Teil eines neuen Erotiklexikons. Der Buchstabe A wie Abstinenz war dort angegangen worden, und ich traute mich tatsächlich, darauf hinzuweisen, dass die Begriffe nicht völlig korrekt angewendet worden waren. Abstinenz (ich wies in dem Zusammenhang auch auf die Abstinenz von Genussmittel hin) und ein weiterer Terminus, Askese, können auch in anderem Zusammenhang gebraucht werden. Es müsste also genauso genommen jeweils sexuelle Abstinenz und sexuelle Askese heißen. Mit einem Schuss Ironie (ob Petting und Masturbation auch zur Abstinenz gehören?) schloss ich das Posting und dachte mir nichts viel weiter.

Offenbar hatte ich aber mit dieser Stellungnahme eine Heilige Kuh der Macher der HP verletzt. Unversehens sah ich mit zwei Stellungnahmen konfrontiert. Eine davon war anonym, wohl die Herausgeberin selbst, die mir einmal nicht unbekannt gewesen war. Mit de facto emporgehobenem Zeigefinger wies sie mich darauf hin, dass das ohnedies logisch wäre, was ich da hervor gestrichen hatte. Und Nr. 2, ebenfalls keine Unbekannte und aus der Führungsebene des Mediums, zog mein durchaus nicht böse gemeintes Posting völlig ins Lächerliche. Man muss ja jetzt nicht annehmen, dass das eine Frau wie Vivienne wirklich juckt, die mit und durch die Bohne schon so viel mehr erreicht hat. Wer mich kennt, persönlich oder aus meinen unzähligen Beiträgen, die die unterschiedlichsten Bereiche abdecken, hat sicher schon gemerkt, dass ich mit meinem Wissen selber wohl einige Lexika füllen könnte. Wenn ich wollte…

Kritiker dieser Art, die im Grunde nur zwischen den Zeilen vermitteln wollen: „Puddel dich nicht auf, wir legen auf deine Meinung keinen Wert!“ verhalten sich völlig indiskutabel und sind einer halbwegs sachlichen Auseinandersetzung wohl gezielt aus dem Weg gegangen. Aber wie ich weiter oben schon anklingen ließ: Wer Kritik scheut und ihr nicht den gebührenden Raum gibt, wird ob kurz oder lang auf die Nase fallen. Entweder schart er nur Jasager um sich oder die Kritiker halten sich zurück, getreu dem Motto: „Da verbrenn ich mir die Finger nicht! Sollen sie doch mit ihrem Topfen versumpfen!“ Früher oder später rutscht man auf diese Weise in die Bedeutungslosigkeit ab. Gerade das will man aber an sich vermeiden, wenn man ins Web geht, meine ich…

Dass man es nicht immer allen alles recht machen kann, ist natürlich nicht von der Hand zu weisen. Das erfahre ich auch immer wieder, wenn ich selber Rückmeldungen auf meine Werke bekomme. So merkte einmal ein Leser von mir aus Deutschland bei einer Dreiecksgeschichte (Abgründe), die ich verfasst hatte, an, dass das tragische Ende (die Geliebte nimmt sich das Leben) nicht notwendig gewesen wäre. Was sollte ich dazu sagen? Mir war nach dem tragischen Ende gewesen, Geschichten, die ich schreibe, nehmen auch immer wieder gerade den Verlauf, der meine persönliche Stimmung widerspiegelt. Bei anderer Gelegenheit, als ich eine Kurzgeschichte über eine krebskranke Frau schrieb, meinte ein Leser, dass es nicht sehr realistisch wäre, dass  sich ihr getrennt lebender Mann mit ihr versöhnt (Es kann jeden treffen).

Mag durchaus sein, aber das (offene) Ende der Geschichten ist in diesem Fall nicht immer so relevant, mir geht es in meinen Werken auch immer um die Kernaussage, um die Quintessenz, die ich vermitteln möchte. Das andere ist nur Beiwerk und ganz selten wurde von mir ganz gezielt auf nur dieses eine Ende hininszeniert. Worauf ich also in diesem Fall hinaus will: jede Geschichte, jedes Gedicht, etc ist irgendwie auch so was wie ein Kind von einem selbst, das nicht nur vor einem selbst sondern auch in der Welt der Kunst und der Medien bestehen muss. Und so perfekt kann wohl wenig ausgestattet sein, dass es nicht doch bei irgendjemandem aneckt. Oder zumindest Anmerkungen gemacht werden.

Aber zurück zum Eingang erwähnten Online-Medium. Mit Kritik kann man dort offenbar nicht sehr gut umgehen, vor allem wenn man eine Heilige Kuh in Frage stellt (oder für den „Klassenfeind“ aktiv ist, je nach dem). Ich denke, ich kann damit sehr gut leben, weil ich mich einerseits nicht aus einer unverhohlenen Geltungssucht heraus aufdrängen will oder muss, ganz im Gegenteil. Das Web ist groß, man findet viele Möglichkeiten, sich zu informieren und natürlich auch zu einem konstruktiven Meinungsaustausch der nicht in einen halben Gegenangriff mündet. Der Punkt ist doch: selbst wenn ich wirklich völligen Blödsinn geschrieben hätte: so springt man üblicherweise mit einem Interessenten, einem Leser der eigenen HP nicht um. Bei der Bohne würde es nie passieren, dass ein Poster verunglimpft wird für seine Meinung. Beim besagten Online-Medium sollte man sich halt fragen, wenn ich nicht mehr die Beiträge dort kommentieren sollte: wer wird es dann tun? Außer den eigenen Leuten tut schon jetzt dort kaum jemand seine Meinung kund… 

Vivienne

 

 

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