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 Home Kolumnen Die bunte Welt von Vivienne

19.11.2005, © Vivienne

Peinlich, peinlich!

Ich lachte verhalten, als ich im Bus nach der Arbeit heimfuhr. Was heißt verhalten: ich kämpfte schon die ganze Zeit mit mir, nicht laut loszuprusten. Schließlich wollte ich mich nicht genieren müssen vor all den Leuten, die sich müde und etwas träge wie mir schien ähnlich wie ich auf dem Heimweg befanden. Wieder presste ich meine Lippen zusammen. Ganz ruhig bleiben, ich durfte mich nicht gehen lassen. Das gehörte sich nicht. Ich war doch kein Teenager mehr! Oder? Ich stand auf und drückte den Halteknopf. Gleich würde die Quälerei ein Ende haben. Die Bustür öffnete sich und ich stieg aus. Es war schon ganz dunkel draußen, ich ging ein paar Schritte, dann blieb ich stehen. Nein, es war zu komisch! Ich lehnte mich an eine Straßenlaterne und begann zu lachen, aus tiefstem Herzen. Kollege Müllers Gesicht tauchte wieder vor mir auf…

Albert sah mich leicht irritiert an, als ich die Wohnungstür hinter mir zufallen ließ. „Du bist aber spät dran, Viv. Ist alles ok?“ Ich versuchte meinen Mann anzusehen ohne eine Miene zu verziehen. Ich schaffte es nicht. Ich prustete los wie ein Pferd und konnte mich nicht beruhigen. Fünf Minuten brauchte ich, um das Ärgste abzuwürgen. Albert hatte mich die ganze Zeit angegrinst, kopfschüttelnd zwar, aber durchaus amüsiert. „Was ist los, Mädchen? Was ist so lustig?“ Als Antwort setzte wieder mein Gelächter ein, aber Ali machte kurzen Prozess mit mir. Er nahm mich bei der Hand und begann mich zu schütteln. Mit Erfolg, ich war sehr schnell wieder ruhiger. Grinsen musste ich trotzdem, als ich Ali zu erklären begann, was ich heute in der Arbeit erfahren hatte – was mir passiert war…

„Wie fange ich jetzt bloß an?“ Ich versuchte mich zu sammeln und mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. „Also, Ali, du weißt ja, dass ich gerne diese Funmails verschicke, die ich bekomme, auch von dir, und ein großer Teil davon geht an die Kolleginnen. Das muss ich dir ja nicht lange erklären. Ja, und du weißt, dass kürzlich eine neue Kollegin in der Arbeit zu uns gestoßen ist, Anja Müller.“ Albert hatte die Arme verschränkt und hörte mir interessiert zu. Er hatte uns beiden Kaffee eingeschenkt und noch verzog er keine Miene. Ich räusperte mich. „Ich glaube, ich habe dir das einmal erzählt. Die Emailadressen sind bei uns in der Arbeit sehr einfach gestrickt: Name und Domain, wie fast überall. Und die Müller wurde von mir in meinen Verteiler aufgenommen…“

Ich musste mich wieder sehr am Riemen reißen, denn ich merkte, dass sich meine Lachmuskeln wieder völlig anspannten. Aber wie konnte ich da nur ruhig bleiben? Nein, es war fast unmöglich! Ich sah bewusst an Ali vorbei, um mich leichter auf den Kern der Geschichte besinnen zu können. „…heute hat mir aber Anja gesagt, sie hätte nie eine Mail von mir bekommen, nicht eine einzige. Zuerst haben wir vermutet, dass ihr Account nicht wirklich funktioniert, aber im Gespräch mit einem anderen Kollegen sind wir hinter die wahren Gründe gekommen…“ Ich schluckte. Nur nicht lachen! hämmerte ich mir ein. Ganz ruhig bleiben!“ Ali runzelte die Stirn. „Die wahren Gründe? Was ist denn passiert?“ Ich starrte auf meine Hände, weil ich genau spürte, dass ich gleich wieder loslachen musste. Und diesmal würde mich niemand mehr stoppen können…

„Wir haben ja auch noch einen Kollegen mit Namen Müller in der Arbeit. Dran hatte ich nicht gedacht, als ich meine Mails an mueller@spanninger.at versandt hatte. Aber leider hat der die ganzen Mails von mir bekommen… Und nicht Anja.“ Ich schloss die Augen und begann wieder zu kichern, laut und unhaltbar… Ali sprang auf und packte mich bei den Schultern. Er grinste selber, wie ich erkannte, als ich die Augen wieder aufmachte, aber ich schämte mich so, weil ich mich nicht beherrschen konnte. Nein, furchtbar, eine Frau von fast vierzig Jahren lachte wie drei fröhliche Teenager und war nicht mehr zu beruhigen. Eine Viertelstunde später rekapitulierte Ali den Rest der Geschichte, den ich bruchstückhaft und unter ständigem Lachen von mir gegeben hatte.  „Müller hat also die ganzen Mails von dir bekommen, vor allem auch diese „Frauenspezifischen“, mit den Chippendales und nackten Männern. Ist es nicht so?“ Ich nickte unter beständigem Kichern. Ich stellt mir Müllers Gesicht vor – Müller war ein ernsthafter, älterer Mann im Versand – wenn er die Mails mit den gut gebauten Burschen gelesen haben musste. Wie hatte ich oft dazugeschrieben? „Arbeitsmotivation, Mädels!“ Müller würde das wohl nicht ganz so gesehen haben!

Eine peinliche Geschichte. Eine ganze Weile lachten Albert und ich im Duett, dann versandete das Gelächter in einer halben Orgie, bei der mir Ali unter Beweis stellen wollte, dass er es mit jedem Chippendale aufnehmen konnte. Wie auch immer! Der Sex war jedenfalls gut, aber auch das Lachen hatte mich unglaublich befreit in einer Woche, in der manches nicht nach meinen Vorstellungen gelaufen war. Wie meinte Ali spät abends noch zu mir, bevor wir endgültig einschliefen? „Ich liebe dich für dein Lachen!“

Vivienne

 

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