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 Home Prosa Aus dem Hinterhof der Seele

15.05.2005, © Vivienne

Ich lass es nicht mehr zu!

Klaudia stand langsam auf.
Sie schwankte.
Blut floss aus einer Wunde an der Schläfe.
Sie hielt sich am Stuhl fest.
Dann traf sie der nächste Schlag.
Kurts Faust explodierte in ihrem Auge.
Dir werd’ ich es zeigen!
Seine Stimme zitterte vor Wut.
Mich zu betrügen!
Du Flittchen!
Er war nicht mehr in der Lage seine Zunge zu koordinieren.
Zu viel hatte er getrunken.
Klaudia lag wieder am Boden.
Ihr Kopf war nur mehr Schmerz.
Kurt riss sie hoch.
Miststück
Gib es endlich zu.
Sag es.
Du betrügst mich!
Er schlug sie ins Gesicht.
Immer und immer wieder.
An der Tür läutete es.
Polizei
Öffnen Sie!
Die Stimme hinter der Tür klang merkwürdig verzerrt.
Klaudia verlor das Bewusstsein…

Bitte lächeln!
Legen Sie den Arm um Ihre Frau.
Bitte den Strauß heben!
Super!
Der Fotograph schoss Foto um Foto.
Klaudia stöhnte.
Es war so warm.
Die Hitze machte ihr zu schaffen in dem engen Brautkleid.
Kurt küsste sie zärtlich.
Der Fotograph winkte ab.
So, Pause.
In fünfzehn Minuten machen wir weiter.
Kurt brachte Klaudia ein Glas Sekt.
Klaudia winkte ab.
Nein.
Einfach ein Glas Wasser.
Ich bin so durstig.
Kurts Augen strahlten.
Was für ein herrlicher Tag!
Er leerte das Glas Sekt in einem Zug.
Geht’s dir gut, mein Schatz?
Klaudia spürte eine leichte Disharmonie.
Kurt hatte getrunken.
Wieder mehr als ihm gut tat.
Er war so verlässlich.
So liebevoll.
Aber dieser Hang zum Alkohol…
Klaudia seufzte.
Sie wusste nicht warum…

Klaudia lag im Spital.
Ein Cut an der Schläfe war genäht worden.
Außerdem hatte sie eine Gehirnerschütterung erlitten.
Ihr Gesicht war verschwollen und verfärbt.
Sie war richtig erschrocken im Bad.
Über ihren eigenen Anblick.
Als wäre ein Dampfwalze über das Gesicht gefahren.
Kurt hatte ganze Arbeit geleistet.
Kurt…!
Sie hatte keine Ahnung, warum er immer zuschlug.
Warum er immer an einen Nebenbuhler glaubte.
Fast wie im Wahn.
Und immer wenn er getrunken hatte.
Und das hatte er zuletzt jeden Tag!
Er war gekündigt worden.
Letzten Monat.
Kurt war unverlässlich geworden.
Der verlässliche Kurt.
Der immer gelaufen war wie ein Uhrwerk.
Klaudia schloss die Augen.
Sie begann zu weinen.
Das war geblieben von der großen Liebe…
Alkohol und Schläge.
Und eine Anzeige wegen Körperverletzung.
Sie zog den Trauring vom Finger.
Drehte ihn in ihren Händen.
Das Datum der Hochzeit war eingraviert.
Klaudia legte ihn ins Nachtkästchen…

Der Verteidiger hielt sein Plädoyer.
…
Mein Mandant hat alles eingesehen.
Er ist im Begriff einen Alkoholentzug machen zu lassen.
Und er wird zu seinem alten Chef gehen.
Und ihn um eine neue Chance bitten.
Meinem Mandanten ist vieles über den Kopf gewachsen.
Er hat ersucht, seine Probleme mit Alkohol zu lösen.
Das war ein Fehler.
Das weiß er jetzt…
Der Anwalt hielt kurz inne.
Er deutet auf Kurt.
Dieser Mann ist gestolpert.
Aber er ist wieder aufgestanden.
Und er wird sein Leben wieder in den Griff bekommen.
Daher bitte ich um eine milde Strafe.
Er wird auch seine Ehefrau davon überzeugen.
Denn im Grunde liebt er nur sie
…
Theatralisch verhalten seine Worte.
Der Anwalt fixierte Klaudia.
Klaudia stand auf.
Ihre Mutter neben ihr sah sie überrascht an.
Klaudia schüttelte den Kopf.
Ich will die Scheidung!
Habt ihr gehört?
Ich lasse mich scheiden!
Kurt wird mich nie mehr schlagen!
Nie mehr!
Der Staatanwalt stand auf.
Ich entschuldige mich für die Zeugin.
Sie ist aufgebracht.
Er trat zu Klaudia.
Senkte seine Stimme.
Bitte keine Emotionen.
Klaudia setzte sich wieder.
Verschränkte die Arme.
Die Lippen zusammengepresst.

Der Richter schloss die Urteilverkündigung.
….
Ich habe eine bedingte Strafe verhängt.
Weil der Täter bisher unbescholten war.
Es wird sich zeigen, ob er diese Chance zu nutzen weiß.
Der Verteidiger nickte Kurt zu.
Der atmete hörbar auf.
Dann stand er auf.
Lief zu Klaudia.
Wir müssen reden.
Es ist so viel passiert…
Komm.
Gib mir eine Chance.
Klaudia schloss die Augen.
Sie sah immer dasselbe Bild vor sich.
Wie Kurt auf sie einschlug.
Immer und immer wieder.
Sie blickte Kurt kurz ins Gesicht.
Dann ging sie weiter.
Fröstelnd.
Nein.
Nie mehr!
Lieber für immer allein als das noch einmal.
Sie kümmerte sich nicht um Kurt.
Der ihren Namen rief.
Der es nicht fassen konnte…

Vivienne
 

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