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 Home Prosa Aus dem Hinterhof der Seele

20.11.2005, © Vivienne

Ich möchte sie berühren

Franz Steiger hielt den Atem an.
Er stand im Bus.
Hinter einer brünetten Frau.
Jung und hübsch.
Franz roch ihr Parfüm.
Es war schwer.
Ihm wurde schwindlig davon.
Trotzdem ging er nicht einen Schritt zurück.
Obwohl genug Platz im Bus gewesen wäre.
Seine rechte Hand umklammerte den Haltegriff.
Sie war schweißnass.
Wie immer, wenn er einer Frau so nahe stand.
Franz fixierte den Nacken des Mädchens.
Er sah die feinen Härchen.
Und die helle Haut.
Er hörte ihr Lachen.
Als sie mit einer anderen sprach.
Glockenhell klang ihre Stimme.
Franz schloss die Augen.
Ließ die Stimme auf sich wirken.
Er schloss die Augen.
Seine Fantasie gaukelte ihm wirre Bilder vor.
Das Mädchen lächelte ihn plötzlich an.
Und begann ihre Bluse aufzuknöpfen.
Nächste Haltestelle Unionkreuzung!
Das Tonband riss ihn aus dem Traum.
Das Mädchen drückte den Halteknopf…

Franz kehrte das Lager.
Zum dritten Mal an diesem Tag.
Heute hatte es schon wieder einige Lieferungen gegeben.
Franz hasste die Arbeit.
Nur Dreck.
Ein schmutziger Arbeitsmantel.
Die ganze Woche lang.
Die Leute im Büro sahen herab auf ihn.
Und die Kollegen im Lager.
Nur Überheblichkeit.
Kein freundliches Wort.
Und nie arbeitete man schnell genug.
Die Tür ging auf.
Die blonde Sekretärin des Abteilungsleiters stiefelte herein.
Auf hohen Absätzen.
Die ein klackendes Geräusch verursachten.
Ihr Rock war kurz.
Sie nickte Franz kurz zu.
Wo ist Greiner?
Greiner war der Lagerleiter.
Franz zuckte die Achseln.
Er musste fort.
Ich weiß nicht, wann er kommt.
Kann ich was helfen?
Geringschätzig spitzte die Sekretärin den Mund.
Sie blickte ihn fast verächtlich an.
Nein.
Da komme ich später.
Sie drehte sich um.
Ging zurück zur Tür.
Franz blickte ihr nach.
Mit großen Augen.
Den Besen in der Hand.
Er starrte auf die langen Beine.
Ob sie wohl ein Höschen trägt?
Oder einen kessen String?
Oder gar nichts darunter?
Die Tür fiel zu.
Franz starrte auf seine Hände.
Sie waren wieder schweißnass…

Franz ging im Park spazieren.
Es war schon dunkel.
Die Hände in der Jacke eingesteckt.
Die Nacht war warm.
Spätsommer.
Er hatte es in der Wohnung nicht mehr ausgehalten.
Seine Tagträume.
Diese Bilder.
Er träumte nur noch von Mädchen.
So oft wie noch nie.
Verschämt blätterte er daheim immer noch Pornozeitschriften durch.
Oder zog sich Sexfilme rein.
In der Videothek war er Dauergast.
Und trotzdem.
Früher hatte es ihm genügt, nackte Mädchen anzusehen.
Ob auf Bildern oder im Film.
Das war egal.
Aber er hatte es gemerkt.
Seine Sehnsucht war immer stärker geworden.
So ein Mädchen einmal wirklich anzugreifen.
Sie auszuziehen.
Und…
Franz stöhnte.
Er hatte noch nie ein Mädchen gehabt.
Die nahmen ihn ja nicht für voll.
Selbst wenn er sie einlud.
In seinem Stammbeisel.
Sie kicherten nur.
Sahen sich gegenseitig an.
Und dann schüttelten sie den Kopf…

Franz stieß mit der Schuhspitze einen Stein an.
Er sprang einige Meter weit.
Nein.
Niemand nahm ihn ernst.
Nicht die Kolleginnen in der Arbeit.
Nicht irgendwelche anderen Mädels.
Und in ihm dieses Gefühl.
Er konnte es nicht beschreiben.
Fast wie ein schlafender Tiger.
So gern hätte er einmal ein Mädchen berührt.
Seine nackte, zarte Haut gestreichelt.
Oder es geküsst.
Franz atmete schwer.
Schritte rissen ihn aus seinen Gedanken.
Da vorne ging jemand.
Schnelle Schritte.
Und ein spitzes Klacken.
Wie von Absätzen.
Im Licht der Laterne erkannte Franz ein junges Mädchen.
Seine engen Jeans schmiegten sich an seinen Körper.
Der Gang der jungen Frau war schwingend.
Sein Blick fraß sich in den Körper des Mädchens.
Dann lief er ihm nach…
Sein Atem ging keuchend.
Und seine Hände waren schweißnass…

Vivienne

 

 

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