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 Home Prosa Aus dem Hinterhof der Seele

01.08.2005, © Vivienne

Singleblues, weiblich

Anna lag auf der Couch.
Warf einen Chips nach dem anderen ein.
Starrte auf den Fernsehapparat.
Eine belanglose Liebeskomödie.
Zum Mitschwärmen und zum Mitleiden.
Spannung bis zum Schluss.
Bis das Paar sich endlich finden würde…
Annas Gedanken schweiften ab.
Heute Mittag im Geschäft.
Sie beriet einen Mann Mitte Dreißig.
Gut aussehend.
Leger gekleidet.
Er suchte ein Geschenk.
Anna gab sich alle Mühe.
Schlug ihm dies und das vor.
Packte es schließlich sorgfältig ein.
Der Mann lächelte ihr zu
Zahlte.
Meine Freundin wird sich freuen…
Ich danke Ihnen!

Warum hatte sie das geärgert?
Der Mann war nicht einmal ein Flirt!
Sie hatte ihn nie zuvor gesehen.
War es dieser Komplex von ihr
Es gibt keine begehrenswerten Singles mehr.
Alle Männer sind längst vergeben.
Alle, die irgendwie nett und brauchbar sind.
Oder gut aussehen…
Sie war übrig geblieben.
Es gab keinen Mann mehr für sie.
Weil kein Mann irgendwie akzeptabel war.
Der noch auf dem freien Markt erhältlich war.
Der Käufer im Geschäft war der beste Beweis dafür.
Die Gedanken in Anna wurden übermächtig.
Sie setzte sich ruckartig auf.
Die Packung mit den Chips rutschte zu Boden.
Der Inhalt verteilte sich auf dem Teppich.
Solche Gedanken machten sie immer kaputt.
Raubten ihr jede Kraft.
Jede Freude.

War es nicht auch schön ein Single zu sein?
Bettina fiel ihr ein.
Eine Kollegin.
Bettina beteuerte das.
Mit Überzeugung.
Bettina war Mitte Vierzig.
Seit ein paar Jahren geschieden.
Ihre Ehe war die Hölle gewesen.
Der Mann hatte getrunken.
Und er hatte auf ihre Kosten gelebt.
Wer stellte schon einen Trinker ein?
Bis Bettina die Nase voll gehabt hatte.
Sie war ausgezogen.
Hatte einige Wochen im Frauenhaus gelebt.
Und jetzt war sie glücklich.
Sagte sie mit Überzeugung.
Sei doch froh!
Immer dieselben Sätze von Bettina
Du bist dein eigener Herr.
Ich brauche keinen Mann mehr.
Ich tu nur mehr, was ich will.
Stell dir vor!
Mein Ex wollte sogar Unterhalt.
Nein.
Kein Mann lebt mehr auf meine Kosten.
Sei froh, dass das keiner bei dir tut!
Du weißt es nicht.
Aber im Grunde genommen hast du das große Los gezogen.

Anna blickte auf den Bildschirm.
Der Filmheld nahm gerade seine Partnerin in den Arm.
Sie war blond.
Anna schnaubte genervt.
Sybille hatte leicht reden.
Eine Bekannte.
Die hatte mit bald vierzig noch einen Partner abbekommen.
Redete die sich nicht auch so leicht?
Anna hörte ihre Stimme förmlich.
Kann es ein, dass du fixiert bist?
Anna, kann das sein?
Dass du suchst, wo es nichts zu finden gibt?
Du taxierst doch schon jeden Mann.
Ob er einen Ehering trägt.
Ob er zu dir passen könnte.
So funktioniert das nicht, Mädel.
Such nicht dauernd.
Gib das krampfhafte Bemühen auf.
Lass es passieren.
Locker.
Und nicht angespannt.
Such nicht.
Lass dich finden…
Ich weiß.
Ich rede mir leicht.
Aber überleg einmal.
Irgendwann wird dich das alles so anöden.
Dass du den Hut drauf wirfst.
Und das willst du doch am wenigsten, oder?

Anna stützte in den Kopf in den Händen.
Ihre Augen waren nass.
Sybille hatte schon Recht.
Im Grunde hatte sie längst die Nase voll.
Einsamkeit tat weh.
Sehr weh.
Aber schlimmer noch war die Suche.
Jeden Tag.
Die verkrampften Flirts.
Die erbärmlichen Verkuppelungsversuche.
Mit Typen, die das letzte waren.
Mamasöhnchen.
Komplexbehaftet.
Männliche Jungfrauen.
So was gab es tatsächlich.
Bauernsöhne.
Mit klobigen, unsauberen Händen.
Hatte sie so einen Not?
Nein.
Das hatte sie nicht.
Sie wollte nur noch ihre Ruhe.
Wahrscheinlich hatte Bettina recht.
Ohne Mann war das Leben wirklich einfacher…
Kalt zwar.
Ganz sicher.
Aber weniger kompliziert.

Anna schaltete das Fernsehgerät aus.
Das Paar hatte sich eben zum Happy End aufgeschwungen.
Der Weg zum gemeinsamen Glück war frei…
Im Film war immer alles so einfach.
Ein paar Intrigen halt.
Ein paar Lügen.
Konfusion.
Und irgendwie raufte sich die zwei dann doch zusammen.
So sicher wie das Amen im Gebet.
Im wahren Leben sah die Sache anders aus.
Keine gleich gesinnte Seele für sie.
So weit sie auch blickte.
Wofür lebte sie überhaupt?
Wo alles rund um sich in Zweisamkeit schwelgte?
Bettina war ja doch nur verbissen.
Sonst kannte sie, Anna, niemanden
Keine Singles.
Nur sie.
Sie ganz allein.
War das fair?

Vivienne

 

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