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 Home Prosa Aus dem Hinterhof der Seele

31.05.2005, © Vivienne

Wenn ich ihn nicht so lieb hätte!

Jetzt lieg ich im Spital.
Mit ein paar gebrochenen Rippen.
Die Speiche am linken Arm ist auch angeknackst.
Eine Prellung am ganzen Körper.
Und viele blauen Flecken.
Alles tut mir weh.
Ich kann nicht einmal mein Gesicht verziehen.
Ohne dass es weh tut.
Die Ärzte sind nett.
Auch die Pfleger.
Die Polizei war vorhin da.
Und die Männer haben mich ausgefragt.
Wie das alles passiert ist.
Und ob der Gerd mich öfter schlägt…

Mein Gerd!
Ich habe ihn doch so lieb.
Er kann so zärtlich sein.
So unsagbar lieb.
Er hat mir sogar schon Blumen gebracht.
Gestern erst.
Einen riesigen Sommerstrauß.
Und entschuldigt hat er sich auch.
Es tut ihm so leid.
Sagt er.
Mit Dackelblick.
Und ich soll doch keine Anzeige machen.
Aber die hat das Spital schon gemacht.
Da kann ich gar nichts tun.
Der Gerd ist sehr zornig geworden deswegen.
Fast dachte ich.
Er schlägt mich gleich wieder.
Dabei ist er doch ein herzensguter Kerl.
Der Gerd.
Böse wird er nur wenn er trinkt.
Und wenn er nichts zu tun hat.
So wie jetzt gerade…

Ja, die Firma vom Gerd muss vielleicht zusperren.
Jetzt ist er schon ein paar Wochen daheim.
Weil es keine Aufträge gibt.
Was soll er da anderes tun?
Er sitzt mit Freunden im Wirtshaus.
Und da wird es schon mal später.
Läuft ihm ja nichts davon.
Aber er ist halt oft grantig.
Wenn er dann heimkommt.
Und wenn ich ihn frage, warum es so spät geworden ist…
Dann haut er mir schon mal eine runter.
Geht mich ja auch nichts an.
Oder?
Ich hab’s mir eh gemerkt.
Und nichts mehr gesagt.
Er ist ja nicht freiwillig daheim.
Geld ist auch keins da.
Was verdiene ich denn im Supermarkt?
Zwanzig Stunden die Woche?
Ich muss sogar aufpassen.
Jetzt wo ich im Spital liege.
Dass sie mich nicht kündigen.
Wo nehmen wir nur das Geld für die nächste Miete her?

Ich habe mir neulich gedacht.
Der Gerd soll sich einen anderen Job suchen.
Damit er wieder Arbeit hat.
Aber da hat er mir gleich wieder eine geknallt.
Ob ich wahnsinnig bin?
Er hat mich angeschrieen!
Ganz laut.
Sein Boss rechnet doch mit ihm!
Wenn die Firma wieder läuft, ist er dabei.
In die Hand versprochen!
Da kann er doch nicht wo anders anfangen?
Ich verstehe ihn schon.
Den Gerd.
Das habe ich nicht gewusst.
Aber so fest zulangen hätte er auch nicht müssen.
Aber das tut nicht mehr weh.
Weh tut was anderes.
Der Gerd hat geglaubt ich geh fremd!
Nur weil ich beim Nachbarn war.
Als er heimgekommen ist.
Der Gerd.
Ich musste doch dem Nachbarn ein Paket bringen.
Das ich für ihn angenommen hatte.
Da war nichts dabei.

Da hat der Gerd zuerst einmal gar nichts gesagt.
Nur geschnauft.
Und dann hat er mich geprügelt.
Ich dachte, ich sterbe.
So furchtbar war es momentan.
Wie kann er das nur glauben von mir!
Aber ich versteh ihn auch.
Den Gerd.
Er hat mich halt so lieb.
Und er ist furchtbar eifersüchtig.
Das wollte ich nicht.
Dass er glaubt ich bin eine Schlampe.
Die jeder haben kann.
Nein, das wollte ich nicht.
Ich habe dann so viel geblutet.
Da hat er Angst bekommen.
Der Gerd.
Und den Notarzt gerufen.
Dem hat er erzählt.
Ich wäre die Stiege herunter gefallen.
Das versteh ich schon.
Was hätte er denn sonst tun sollen?

Mein armer Gerd.
Die Polizei wird zu ihm fahren.
Das haben sie mir vorhin gesagt.
Vielleicht nehmen sie ihn mit.
Dabei kann er gar nichts dafür.
Er hat so viel Pech.
Mein Gerd.
Er wird doch nicht ins Gefängnis kommen?
Dabei ist alles meine Schuld!
Hört ihr!
Ihr Hohlköpfe!
Der Gerd ist doch so ein lieber Kerl!

Gewalt an Frauen:

Solange sich alle geprügelten Frauen weiter einreden, sie hätten die Prügel ihres Mannes verdient, solange wird auch die Spirale der Gewalt nicht durchbrochen werden!

Vivienne

 

 

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