Die zwei Richtigen…

Sie waren schon ein merkwürdiges Pärchen gewesen, die Leitners aus der Wildnersiedlung in unserer Gemeinde. Gerda, eine mittelgroße, dralle Person mit großem Busen und einem noch größeren Herzen für g’standene Mannsbilder, war etwa in meinem Alter. Ihr langes, dunkles Haar färbte sie immer tizianrot – was dank der obligaten Dauerwelle ihre Mähne schon recht früh ziemlich müde aussehen ließ. Ludwig Leitner wiederum stammte eigentlich aus Tirol, auf der Jobsuche hatte es ihn zunächst ins Salzkammergut und dann in unsere Gegend verschlagen. Die beiden lebten zusammen im Haus von Gerdas Eltern und hatten sich über einen Singletreff im Internet kennen und wohl auch lieben gelernt. Irgendwie zumindest…

Ganz ungetrübt war diese Beziehung von Anfang an nicht verlaufen. Für Ludwig muss es von Anfang an die große Liebe gewesen sein, aber ich vermutete bald, dass Gerda in erster Linie einen Vater für ihre kleine Tochter Simone suchte, und natürlich einen Mann, mit dem sie ihre 70 m2 Wohnung im Haus der Eltern ausbauen und wohnlich gestalten konnte. Selber fehlte es ihr ziemlich sicher am handwerklichen Verständnis und auch am Geld: Tagesmütter waren damals eher dünn bei uns gesät und von einem Hort war noch nicht einmal die Rede. Also lebte Gerda mit ihrer Tochter von der Notstandshilfe und die ließ ihr nicht viel Raum für finanzielle Eskapaden…

Als Ludwig zu Gerda zog, besorgte er ihr einen Gebrauchtwagen und auch mit der kleinen Simone freundete er sich schnell an. Trotzdem zog er gerade am Anfang auch immer wieder tageweise aus – weil die Fetzen flogen zwischen den beiden, und bisweilen neben Schreiduellen und Schimpfwörtern auch Handgreiflichkeiten ausgetauscht wurden – und das durchaus von beiden Seiten, damit kein Missverständnis aufkommt… Die Versöhnungen verliefen tränenreich aber auch voller animalischer Leidenschaft und wer das Glück oder Pech hatte (je nach dem), die beiden einmal durch ein offenes Fenster dabei zu beobachten, dem dürfte es ob der Heftigkeit schon einmal die Sprache verschlagen haben. Wurde mir zumindest glaubhaft versichert, liebe Leser, den selber verfüge ich doch über keine Spannerqualitäten…!

Diese Liebe war also von heftigen Aufs und Abs gekennzeichnet. Große Liebe wechselte mit heftigen Streiten und trotzdem wurde nach einem guten Jahr geheiratet. Was wohl auch daran lag, dass die kleine Simone in den Kindergarten kam und Gerda, ganz auf den äußeren Anschein und auf heile Familie bedacht, gut dastehen wollte. Simone war Gerda einfach „passiert“, wie sie mir einmal sehr offen und gesprächig erzählt hatte. Als Schulabbrecherin war sie Kellnerin geworden, ungelernt, und von Anfang an keine von der Sorte gewesen, die sich einem interessierten Gast verweigerte, dem sie gefiel, ganz im Gegenteil. Dabei war auch Simone entstanden, denn Gerda, die sich die Pille damals nicht leisten wollte, hasste Verhütung, hätte aber andererseits nie einem Mann, mit dem sie ins Bett wollte, ein Kondom zugemutet. Schließlich wusste sie genau, was Männer brauchten und wollten…

Wenigstens zahlte der Zufallsvater von Simone für sein Kind, weil sich Gerda, die durchaus mit einer Abtreibung geliebäugelt hatte, dann aus einer gewissen Laxheit heraus die Fristen übersehen hatte. Dieses eine Gespräch mit der redseligen Gerda auf einem Amt in der Bezirkshauptstadt, als wir beide zufällig einen neuen Pass brauchten, öffnete mir die Augen über diese Frau, die ich vorher kaum gekannt hatte. Ich war ehrlich gesagt schockiert und trotzdem bemüht, mich gegenüber dieser Frau gleichmütig zu verhalten, weil ich keinen Streit und auch keine Grundsatzdiskussionen herausfordern wollte. Das war eben das Leben von Gerda Leitner, sie kannte keine Moralvorstellungen wie ich und auch keine Skrupel, in welcher Hinsicht auch immer. Und wenn sie einen Mann traf, der ihr gefiel, dann deutete sie die Triebe, die sich ihrer bemächtigten, sofort als Liebe… Kein Wunder, dass kaum eine ihrer Beziehungen lange hielt und auch in der Ehe mit Ludwig immer öfter gestritten wurde. Da hatten sich wirklich die beiden Richtigen gefunden, beiden fehlten jede Organisation und das Gespür dafür, wie man mit Geld umgeht – und darum drehte sich zuletzt fast jeder Disput der beiden.

Nach drei Jahren war es dann vorbei mit dieser wechselvollen Liebe. Ludwig hatte einen Kredit aufgenommen um die gemeinsame Wohnung im Haus der Schwiegereltern zu renovieren und einzurichten. Trotzdem freute es ihn immer seltener, am Wochenende wirklich Hand an die Wände oder an die Fliesen zu legen. Mit ein Grund war sicher Gerda, die sich ihm mittlerweile oft sexuell verweigerte, weil Ludwig sie als Mann nicht mehr interessierte. Von einem Schulkollegen, der vor Jahren einmal kurz mit ihr gegangen war, weiß ich, dass Gerda normalerweise schon nach höchstens zwei oder drei Monaten von einem Lover die Nase voll hatte. Glück für Ludwig, dass Gerda ihn überhaupt so lange bei sich geduldet hatte, aber sie ging damals auch schon länger fremd. Stundenweise erledigte sie abends bei einem Notar in der Nachbargemeinde Schreibarbeiten und es war schwer zu kontrollieren, ob sie sich wirklich immer ihrem Job nachging oder sich nicht doch in Bars oder diversen Lokalen amüsierte.

Als Ludwig aus Trotz von einem Teil des Kredits einen neuen Wagen kaufte, setzte ihn Gerda schließlich an die Luft. Etwas überraschend, denn normalerweise war nach heftigen Auseinandersetzungen immer Ludwig von sich aus für ein paar Tage verschwunden. Die Anrainer in der Wildnersiedlung redeten jedenfalls noch Tage später von der heftigen Aussprache von Ludwig und Gerda, die sehr schnell eskalierte und in der ganzen Straße zu hören gewesen sein muss. Bei dem Streit begriff Ludwig dann endlich, dass ihn seine Frau schon die ganze Zeit betrogen hatte und ihr neuer Liebhaber schon im Begriff war bei ihr einzuziehen. Die Ehe wurde schließlich Monate später geschieden und die beiden wechselten danach kein Wort mehr miteinander. Zu viel zerbrochenes Geschirr und natürlich das liebe Geld…

Nach einer wahren Begebenheit!

© Vivienne

1 Star2 Stars3 Stars4 Stars5 Stars (Keine Bewertungen)

Schreibe einen Kommentar