Ein Malheur der schmerzhaften Sorte

Nun war der kleine Georg, Sprössling meiner Busenfreundin Vicki und von ihrem Bert, auch schon wieder über ein halbes Jahr alt geworden. Der aufgeweckte Bub war momentan seinem Vater wie aus dem Gesicht gerissen, wenn man alte Kinderfotos von Bert durchsah und dann den hoffnungsfrohen Nachwuchs begutachtete, bekam man einen Hauch von Ahnung von der Vererbungslehre. Der kleine Mann hielt seine Eltern, vorzugsweise seine Mutter, ordentlich auf Trab und meine beste Freundin von allen wusste mir immer etliche Geschichten zu erzählen von Nächten, die sie und ihr Mann kaum durchschlafen hatten können, entweder weil der Bub Blähungen hatte oder einfach aus anderen Gründen lautstark protestieren wollte.

Ich konnte mir das lebhaft vorstellen, wie die Nachtruhe der jungen Eltern erst wirklichleiden würde, wenn der Bub einmal richtig zu zahnen begann. Bei unserem Besuch neulich hatte ich den Eltern deshalb eine Bernsteinkette für den Buben mitgebracht, damit sie für den Ernstfall auch gerüstet waren. Ich weiß zwar nicht, ob es wirklich stimmt, aber Bernstein soll sehr hilfreich sein, Schmerzen beim Zahnen zu mildern. Wir diskutierten in Folge lebhaft die Heilkraft von Edelsteinen und insbesondere von Bernstein, als mir auffiel, dass Vicki nur eine Jogginghose trug, allerdings auch einen sehr schönen, gemusterten Sweater, der gar nicht dazupasste. Ich zog die Stirne in Falten und überlegte: Vicki hatte wie ich eine Vorliebe für Jeans, vor allem privat – Jogger zog sie selten an, höchstens wenn sie krank war.

Und auch nach der Geburt von Georg hatte Vicki relativ schnell wieder abgenommen, noch vor zwei oder drei Wochen hatte ich sie in einer neuen, knallengen Jeans gesehen. Es mutete mich also seltsam an, dass Vicky eine weite, bequeme Jogginghose mit einem topmodischen Oberteil kombinierte. Als sie meinen musternden Blick bemerkte, konnte Vicky eine Frage nicht unterdrücken. „Ist was los, Vivi?“ Ich dachte kurz nach, ob ich überhaupt etwas sagen sollte, aber schließlich wies ich auf die Hose und fragte kurz. „Du trägst doch sonst keine Jogger, oder?“ Vicky lachte. „Du hast Recht, Vivi, und du bist die erste, die es wirklich registriert. Mir ist was passiert, weißt du, und deshalb kann ich mich momentan nicht in eine Jeans zwängen!“

Nun konnte Vicky nicht mehr zurück, denn auch Albert, mein Mann, war neugierig geworden. „Okay, ich erzähle es euch, ist mir letztes Wochenende passiert und überdies eine sehr peinliche Geschichte….“ Sie räusperte sich und ließ ihren Blick kurz in die Runde schweifen. Klein Georg schief ausnahmsweise einmal brav, unsere Unterhaltung interessierte ihn anscheinend nicht im Geringsten. „Also, wo war ich…“ Vicky überlegte kurz, dann begann sie das Malheur zu beichten… „Bert und ich wollten letzten Samstag in eine Kabarettaufführung in unserem Viertel. Eine Veranstaltung für einen guten Zweck, es gab auch ein Buffet und wir sollten uns ein wenig in Schale werfen. Bert und mir kam das nicht ungelegen, seit unser Herzbinkerl auf der Welt ist, bleibt nicht mehr viel Zeit für große Aktivitäten…

Bert grinste amüsiert, aber er sagte kein Wort, als seine Frau fort fuhr. „Also begann ich an dem Samstag zu bügeln und holte unterem anderem auch Berts Sakko aus dem Kasten. Es war an den Ärmeln leicht verknittert und als ich mir das ansah, hatte ich eine Idee, wie ich die paar Falten bequem ausbügeln konnte, im wahrsten Sinn des Wortes. Ich hatte nur meine Strumpfhose und ein langes T-Shirt an, schlüpfte aber in das Sakko und begann nun mit dem Dampfbügeleisen von vorne die Falten zu glätten. Und genau dabei ist es passiert.“ „Was?“ warf ich ein. Ich hatte noch immer keine Idee, was vorgefallen war. Vicky lächelte resignierend. „Ich habe mir den Oberschenkel mit Dampf verbrüht, weil ich unachtsam war. Nicht nur meine Strumpfhose war zerfetzt, die Haut war völlig gerötet und bald bildete sich eine dicke Blase. Schließlich bin ich auch noch dumm genug gewesen, die Stelle nicht sofort mit kaltem Leitungswasser an zu kühlen.“

So was tut weh! ging mir durch den Kopf. Verbrennungen sind immer eine unangenehme Sache. „Was hast du getan?“ Vicky wirkte leicht schuldbewusst. „Ich gebe es ungern zu, aber wir haben trotzdem diese Veranstaltung besucht. Der Babysitter, Berts Mutter, wollte gleich kommen und ich hatte mich außerdem so auf diesen Abend gefreut… Bert hat schließlich nachgegeben. Aber es war dumm, der Oberschenkel hat ziemlich wehgetan und in der Nacht wurden die Schmerzen schließlich so schlimm, dass mir Bert etwas aus der Apotheke geholt hat. Eine Creme, die kühlte und den Schmerz linderte.“ Vicky stand auf und wie zur Demonstration zeichnete sich der dünne Verband unter der Jogginghose ab. „Alles halb so wild, aber Jeans werde ich nicht gleich wieder anziehen können…“

© Vivienne

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