Neue Bohnen Zeitung

 


von Vivienne  –  Oktober 2004



Moulin Rouge

Man mag von Baz Luhrmann’s Umgang mit den Worten Shakespeares in seiner gewagten Neu-Adaption von „Romeo und Julia“ (mit Leonardo di Caprio, 1996) halten, was man will: Trotzdem war etwas Faszinierendes an diesem Streifen, das ihn weit über den Durchschnitt erhob. In manchen Sequenzen lauerte eine unbändige, wilde Leidenschaft, wie man sie nur noch ganz selten im Kino zu sehen bekommt, und Baz Luhrmanns Kraft dahinter war deutlich spürbar. Fünf Jahre später wagte er sich erneut an etwas ganz Großes. Baz Luhrmann’s „Moulin Rouge“ ist ohne Zweifel ein Feuerwerk der Sinne, der Bewegung, der Energie, der Emotionen, der Farben (speziell rot und schwarz) und vielen anderen Ingredenzien, die Kino erst wirklich ausmachen… 

Mit der sündigen „Roten Mühle“ am „Fin des Siècle“ (an der Schwelle zum 20 Jahrhundert) hat das Ganze aber nur den Standort gemeinsam, nämlich das berühmt-berüchtigte Moulin Rouge selbst. Alles andere ist hier aber viel zu bunt, zu grell und erregend, um real zu sein (oder je gewesen zu sein): In einer Rahmenhandlung erzählt der junge Christian in bewegenden Worten über seine große, verlorene Liebe, die schöne Kurtisane Satine… Ende des 19. Jahrhunderts kommt er, Christian, aus der französischen Provinz nach Paris, gegen den Willen seines Vaters, um über die Ideale der Bohemiens, der Künstler, zu schreiben: Wahrheit, Schönheit, Freiheit und vor allem Liebe. Nur hat er die Liebe streng genommen noch gar nicht kennen gelernt. Das ändert sich aber überraschend schnell.

Von seinen neuen Freunden, dem Zwerg Toulouse-Lautrec und seiner Schauspiel-Truppe, in das berühmte Moulin Rouge gebracht, verliebt sich Christian auf dem ersten Blick in den Star des Etablissements, der bezaubernden, rothaarigen Satine. Durch eine folgenschwere Verwechslung – Satine hält ihn für den Geldgeber Duke, mit dessen Hilfe sie den schauspielerischen Durchbruch feiern möchte – finden sich die beiden schnell in Satines Räumlichkeiten wieder, wo auch die Schöne ihr Herz an Christian verliert. Beflügelt von so viel Liebesglück schreibt Christian ein neues Stück, als dessen Star Satine endlich von der einfachen Tänzerin und Kurtisane zur großen und umjubelten Actrice aufsteigen soll. Doch der gierige wie geile Duke, der für sein Geld auch Satine alleinig besitzen will, bedroht das junge Glück. Noch mehr hängt aber Satines schwere Erkrankung – sie hat wie Alexandre Dumas’ „Kameliendame“ Tuberkulose – drohend wie ein Damoklesschwert über dem  hübschen Liebespaar. Den beiden ist nur eine kurze Spanne der erfüllten Liebe gegönnt…

Wie viele Musikfilme wartet auch „Moulin Rouge“ mit einer relativ simplen Geschichte um eine große wie tragische Liebe und deren Gefahren auf, an denen das intensive Glück letztlich scheitert. Wie in einer wahnsinnig schnellen Achterbahn rast Luhrmann mit seinen stark geforderten Hauptdarstellern durch eine turbulente Handlung, die den Zuseher kaum zur Ruhe oder zum Atem holen kommen lässt. Man meint fast, das kurze Glück der Liebenden beschleunige das Tempo der Handlung zu ungeahnten Spitzen.

Moulin Rouge ist ein unvergleichlicher Film, der niemanden kalt lässt. Wer mit der Verknüpfung der besten Popsongs der letzten 50 Jahre in einem Musical über das genau genommen vorletzte Jahrhundert nichts anfangen kann, wird sich allerdings schwer tun mit dem Streifen, der durch opulente Bilder der Sinnlichkeit, der Lebensfreude und der versteckten wie offenen Erotik auffällt. Nicole Kidman mit ihren langen roten Haaren ist eine wunderschöne, laszive Satine, die viele Männer begehren. Man kann den jungen, naiven Christian als auch den triebhaften Duke verstehen, die beide auf völlig unterschiedliche Art und Weise die elektrisierende Kurtisane besitzen wollen. Kidman kann aber noch mehr: sie zeigt etwa auch immer wieder halb versteckt jene Ahnung der verletzbaren Seele in Satine, die spürt, dass der Traum von der großen Karriere nie wirklich in Erfüllung gehen wird.

Der Film lebt von der Präsenz der Kidman, die für mich eine der besten Schauspielerinnen der Gegenwart ist und speziell mit ihrem Duett aus dem Musikfilm, „Something Stupid“, (gemeinsam mit Popstar Robbie Williams) unterstreicht, das sie nicht nur über eine bezaubernde Stimme verfügt und sondern gesanglich sogar sehr viel zu bieten hat. Ewan McGregor, ihr Liebhaber Christian, kann ihr nicht im Geringsten das Wasser reichen, aber er ist jedenfalls sehr nett anzusehen und zusammen geben die beiden ein wunderschönes Paar ab mit dem man sich zwei Stunden mitfreut und mitleidet, auch wenn der größte Optimist das tragische Ende mehr als nur ahnt. Der geheime Wunsch so manchen Mannes, von einer geübten wie erfahrenen Schönheit in die Geheimnisse der Liebe eingeführt zu werden, ja, durch sie erst alle Höhen der (körperlichen) Liebe zu erfahren, mag sich in dem einen oder anderen Detail auch in „Moulin Rouge“ widerspiegeln…

Better to have loved and lost as never loved at all…

Vivienne

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