Neue Bohnen Zeitung


INTERVIEW
von Vivienne  –  Jänner 2005



Interview mit Klaus Ender

Einleitung:

Klaus Ender – ein begnadeter Fotograph, an dessen wunderschönen Bildern man sich kaum satt sehen kann. So könnte man in einem Satz den berühmtesten Fotographen der ehemaligen DDR umschreiben, aber das wäre dann doch viel zu einfach, denn hinter Klaus Ender steckt eine faszinierende Persönlichkeit, die in seinem Leben große Erfolge feierte aber auch so manches Wellental durchschreiten musste. Herr Ender war bereit, mir für einige Fragen Rede und Antwort zu stellen, die ich Ihnen hier nicht vorenthalten möchte.

Das Porträt von Herrn Ender hat seine Frau gemacht.
(C) Klaus Ender

(C) Klaus Ender

Die Akte entstanden vor 12 Jahren auf Gran Canaria
in den Dünen bei Maspalomas.
(C) Klaus Ender

(C) Klaus Ender

(C) Klaus Ender

1)      Herr Ender, Sie haben eben Ihre Autobiographie herausgebracht. Ich möchte Sie aus diesem Grund ersuchen, unseren Lesern vorab einige weniger bekannte Dinge aus Ihrem Leben zu verraten. Wie war denn Ihre Kindheit und stammen Sie aus einer kreativen Familie, also sind Sie in irgendeiner Form erblich vorbelastet?

Ich Ich wurde im Frühjahr 1939 in Berlin geboren. Mein Vater war Österreicher, meine Mutter Deutsche. Ihre Vorfahren stammten aus Böhmen, mein Vater aus Vorarlberg. In Bregenz hatte mein Großvater eine Buchbinderei, die im 1. Weltkrieg bankrott ging. (Wer lässt schon im Krieg Bücher binden…) Ich wurde 1945 aus unserem Wohnort Landsberg/Warthe vertrieben und durchlitt mit meiner Mutter mehrere Hungerjahre in der Ostzone. Schwere Krankheiten, Hunger und wohnungslos lebte sie mit mir als „Trümmerfrau.“

 

2)      Witzigerweise haben Sie – übrigens genau wie mein Vater! – vor vielen Jahren Bäcker und Konditor gelernt: Hat Ihnen das Spaß gemacht, Gebäck zu formen und Kuchen zu backen oder ist das eher unfreiwillig geschehen?

Der Lehrstellenmangel in der von Russen ausgeplünderten DDR war groß und Mutter sagte: „Wenn wieder mal ein Krieg kommt, brauchst Du als Bäcker nicht hungern und so wurde ich Bäcker. Ich fror nicht mehr, hatte zu naschen und es roch immer nach Kuchen…

 

3)      Wie sind Sie im Grunde wirklich zur Fotographie gekommen? War das eher Zufall oder hatten Sie immer schon eine gewisse Präferenz für die Arbeit mit der Kamera?

Ich liebte seit frühester Kindheit die Natur und als ich 1957 Republikflucht beging, machte ich in Friedrichshafen/B. meinen Gesellenbrief als Bäcker und stand fasziniert vor den Fotogeschäften. Die wunderschöne Werbung verlockte mich, vom ersten Gesellenlohn (in Raten) eine Kamera zu kaufen. Mit meinen Bildern fiel ich auf und man prophezeite mir eine „große Zukunft“ als Fotograf.

 

4)      Der Name Klaus Ender ist untrennbar mit der Aktfotographie in der DDR verbunden. Ihre Aktfotographien, davon konnte ich mich selber schon überzeugen, sind sehr geschmackvoll und dabei wunderschön und haben nicht das geringste gemein mit diversen Schmuddelfotos, aber war es trotzdem nicht immer wieder schwierig, nicht mit derartigem „Müll“ in einen Topf geworfen zu werden?

Zur Aktfotografie gehört großes ästhetisches Empfinden, Respekt und Achtung vor der Frau und das Talent, Harmonie, Licht & Farbe sowie Körpersprache in ein Gleichgewicht zu bringen. Die heutige (N)Aktfotografie ist zumeist peinlich, sexistisch und bloßstellend. Die größten Komplimente bekomme ich wöchentlich in Form von Mails, die mir Frauen aller Altersgruppen senden. Fazit: „Bei Ihnen würde ich ohne Vorbehalt Modell stehen, es sind schöne Bilder, die die Würde der Frau in den Vordergrund stellen.“ 

 

5)      Gab es eigentlich eine Reaktion der „Offiziellen DDR“ auf Ihre Fotos? Gab es Versuche, Sie zu zensurieren oder gar Probleme mit der Obrigkeit? Wurden Sie offen angegriffen für Ihre Arbeit?

Anfangs wurde ich kritisch von Polizei und Stasi beobachtet, weil Pornografie mit Zuchthaus bestraft wurde und jeder Aktfotograf mit einem Bein im Gefängnis stand. Durch meine sensible Behandlung dieses Thema erreichte ich 1975 durch meine Ausstellung AKT & LANDSCHAFT, dass die DDR-Aktfotografie von öffentlichem und staatlichem Interesse wurde. Die Ausstellung wurde zum Leistungswettbewerb der DDR-Fotografie und alle 3 Jahre öffentlich ausgeschrieben. Lt. Medien gelang dieser Ausstellung ein „Umbruch in der Kulturpolitik der DDR.“

 

6)      Wann konnten Sie von Ihrer Arbeit als Künstler leben?

Ich übersiedelte 1981 (als Sohn eines Österreichers) nach Vorarlberg, erhielt 1982 vom Ministerium f. Unterricht & Kunst in Wien die Anerkennung als „Bildender Künstler der Fotografie“. Das hatte Steuervergünstigung zur Folge – wenn man nachweist, dass man von dieser Kunst leben kann. Von 1982 „lebte“ ich davon – und seit 1989 „gut.“

7)      Hat Klaus Ender immer die Kamera mit um für alle Fälle und tolle Motive gerüstet zu sein?

Ja, obwohl ich keine „Actionsfotografie“ mache, sondern den schönen Dingen am Wegesrand Bedeutung gebe.

 

8)      Gestatten Sie mir die vielleicht etwas „merkwürdige“ Frage, wie das Fotografieren so ist für Sie? Ich selber bin eine leidenschaftliche Schreiberin und ich habe oft so viele Ideen, dass ich fast überfallsartig schreibe. Gutes und weniger Gutes, aber es muss fast raus aus mir, wie ein inneres Bedürfnis würde ich dieses Gefühl umschreiben. Ist Ihre Form der Kreativität damit vergleichbar oder ganz anders?

Ich bin der Natur verfallen und fotografiere, wenn Licht und Farbgebung stimmen – und das Motiv es verdient, fotografiert zu werden. Die Stimmung der Natur setzt sich in mir fort, so dass ich etwas auf sie angewiesen bin.

 

9)      Klaus Ender macht auch fantastische Landschaftsaufnahmen, die in Form eines Kalenders jetzt auch in meinen vier Wänden hängen. Wo haben Sie Ihrer Meinung nach Ihre schönsten Motive gefunden?

In jedem Park, an jedem Bach und Fluss, auf Wiesen, in Wäldern, in Feldern und immer wieder am Wasser jeder Art. Vom Tautropfen über den Reif, den Nebel bis hin zur Brandung. Ich liebe das Überschaubare, wie einen Garten und bin verunsichert, wenn ich vor dem Grand Canyon stehe. Ihn schafft man nicht in 100 Jahren ganz zu erfassen.

 

10)  Über den Privatmenschen Ender weiß man nicht so viel. Ich darf hier so viel verraten, dass Sie seit über 20 Jahren verheiratet sind. Möchten Sie uns erzählen, wo und wie Sie Ihre Frau kennen gelernt haben?

Ich bin mit 39 Jahren der „Spaziergängerin von Sanssouci“ begegnet. Sie war 14 erschreckende Jahre jung, ich sprach sie als Modell an, ließ mir von den Eltern die Unterschrift geben und verliebte mich ein Jahr später in sie. (Eigentlich sofort) Ihre Augen, ihr Haar, ihr Dekollette , ihre Klugheit, ihr Weitblick, ihre Liebe zur Natur und Kreatur nahmen mich gefangen. Ich heiratete sie 1984 in Potsdam, erreichte ihre Ausreise und holte sie nach Österreich. Seit 15 Jahren ist sie mehr, als meine rechte Hand, sie arbeitet in allen Bereichen unserer Firma und wir sind keinen Tag getrennt…

 

11)  Wie gestaltete sich für Sie selber das Leben in der DDR? Mussten Sie auch russisch lernen wie eine Freundin von mir, die auch aus der DDR gebürtig und dort aufgewachsen ist?

Russisch war Pflichtfach; mir verhasst, ich vergaß es so schnell ich konnte. Und wenn ich heute das Lied „Kalinka“ höre, erstarrt mein Blut in den Adern, weil ich an meine vergewaltigte Mutti denke. Für mich ist die „russische Seele“ ein Moloch aus Trunk, Gewalt und Melancholie.

 

12)  Wie und wo haben Sie den Fall der Mauer miterlebt und was waren Ihre Empfindungen dabei? Und was empfinden Sie heute, nach der Wiedervereinigung und einem doch weiter recht tiefen Graben zwischen West- und Ostdeutschland?

Ich war mit meiner Frau auf einer griechischen Fähre, als ich die ersten Bilder im Fernsehraum sah. Menschen mit Kerzen wurden von der Polizei mit Knüppeln auseinandergetrieben. Wir verstanden kein griechisch – aber die Bilder. Ich raste durch Italien nach Österreich, um diesen unvorstellbaren Untergang des verhassten Systems mitzuerleben. Die „Ossis“ jammern auf hohem Niveau, sind oft ziemlich deprimiert und viele werden mit dem neuen System nicht fertig. Der Westen war langsam gewachsen – der Umbruch war für viele im Osten in seiner Unterschiedlichkeit, Härte und seinem Konkurrenzdruck zu abrupt. Ich schrieb dazu ein Gedicht mit 21 Strophen, das alle Facetten beschreibt.  http://www.klaus-ender.com/gedicht_der_woche/gedicht_kw40.html

 

13)  Herr Ender, Sie leben heute auf der Insel Rügen. Wie lange leben Sie hier und würden Sie heute dieses Fleckchen Erde als Ihre Heimat bezeichnen?

Ich bin 1962 als Saison-Bäcker nach Rügen gekommen, um mich zu prüfen, ob ich das Zeug zum Foto-Profi habe. Nachts arbeitete ich, tagsüber fotografierte ich und zwischendurch entwickelte ich Filme und Bilder, schrieb an Verlage und erarbeitete mir autodidaktisch diesen Beruf. 1966 erhielt ich auf Grund meiner Leistungen die Zulassung als Bildjournalist. Auf Grund politischer Schikanen, übersiedelte ich 1972 nach Potsdam, wurde Werbefotograf der Schwerindustrie (Krane) und hatte dort meinen Durchbruch zu einem der führenden DDR-Fotografen. 1996 (30 Jahre nach meinem Start, kamen wir zurück.)

Ich bin im Leben 35 x umgezogen, liebe schöne Gegenden und wo meine Frau sich wohlfühlt, da sind wir zu Hause.

 

14)  Ich vermute, ein Mann wie Sie hat immer Visionen. Was würde Sie beruflich noch reizen zu erreichen? Wäre es für Sie vorstellbar, etwas ganz anderes in Angriff zu nehmen und sich daran zu versuchen?

Ich habe 113 Bücher illustriert, davon 6 geschrieben, viele Bücher wurden in Fremdsprachen übersetzt, habe 2 Bücher im Eigenverlag (mit meiner Frau) gemacht und unser Archiv umfasst 100.000 Bilder aus 5 Kontinenten. Ich schreibe viele Gedichte und erwäge, zu meinem 40. Firmenjubiläum (2006) ein schönes Buch zu machen und ggf. Poesie-Bildbände bestimmter Themen folgen zu lassen. Es sieht aus, dass ich dem deutschen Gedicht in seiner Versform wieder einen Platz in den Bücherregalen verschaffen kann. Der 1. Poesieband war mit 5.000 St. innerhalb eines Jahres vergriffen, wir legten ihn neu auf – und unser 2. Band „Ein Samenkorn mit Zuversicht“, hat ihn an Begeisterung der Leser noch übertroffen.

 

15)  Gestatten Sie mir noch ein paar Worte zu „Klaus“, „Ein Samenkorn mit Zuversicht“, ein Büchlein mit wundervollen Fotos und Gedichten von Ihnen. Aus welcher Motivation heraus haben Sie es in Angriff genommen oder war es gar Zufall, dass es zustande gekommen ist?

Ich hatte als 17-jähriger in der DDR erste Gedichte geschrieben, die in ihrer unpolitischen Form durchfielen. (In der DDR war alles politisch!). Als ich für den Gedichteband „Rügen- Poesie einer Insel“ wochenlang unter den norddeutschen Dichtern nach Gedichten suchte, wurde ich nicht fündig und sagte zu meiner Frau: „Jetzt schreibe ich sie mir selber – und zwar so, dass Bild & Text eine Einheit sind!“ Sie traute mir viel zu, hatte aber Zweifel. In kürzester Zeit hatte ich zu meinen Rügenbildern die Texte fertig und meine Frau, die Dichter über alles liebt, hatte nun ihren eigenen Dichter im Haus! Das Samenkorn war nur eine logische Konsequenz aus unserem Rügenbuch-Erfolg. Ich war nicht mehr an die Region gebunden, sondern konnte nun die schönsten Bilder unserer Reisen „bedichten.“

Anmerkung der Redaktion: das Buch „Ein Samenkorn mit Zuversicht“ ist bei Herrn Ender erhältlich (www.klaus-ender.de, www.klaus-ender.com). Für alle Neugierigen, die noch mehr über Klaus Ender erfahren möchten: die Autobiographie  ist bei AMAZON, LIBRI oder JPC zu bestellen oder wer das Buch signiert haben möchte, bei: art-photo-archiv@klaus-ender.de

Herr Ender, ich bedanke mich bei Ihnen für das Interview, für das Sie mir zur Verfügung gestanden sind, und wünsche Ihnen noch einen schönen Urlaub!

Vivienne

 

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