Neue Bohnen Zeitung


von Vivienne  –  Jänner 2005



Späte Mutter

Gestern noch hielt ich im Brustton der Überzeugung in meinem Artikel „…und entblöden sich nicht“ fest, dass ich realistischerweise in meinem fortgeschrittenen Alter nicht mehr mit eigener Mutterschaft rechnen würde. Noch am Abend schien mich aber ein Beitrag in der ZIB ad absurdum zu führen: eine Rumänin ist im fortgeschrittenen Alter von 67 Jahren noch Mutter eines Kindes geworden. Das Kleine liegt im Brutkasten, 1,4 Kg schwer, seine zwei Drillingsgeschwister sind während der Schwangerschaft abgestorben. Sieben Jahre wurde die Frau mit Hormonen behandelt und vorbereitet, um diese obskure Schwangerschaft zu ermöglichen… ehrlich gesagt, im Vergleich zu dieser Frau im Alter meiner Mutter bin ich ja wirklich noch der reinste Backfisch.

Gut, man soll nie nie sagen. Klar ist, dass diese Frau aber kein leibliches Kind ausgetragen hat. Selbst durch Hormonkuren kann das Heranreifen von Eizellen in den Eierstöcken von Frauen, die bereits im Klimakterium waren, nicht mehr entfacht werden. Zumindest jetzt noch nicht. Das heißt, der späten Mutter wurden befruchtete Eizellen einer anderen Frau eingesetzt, ein Vorgang, der unter dem Namen Invitrofertilation in der Medizin bekannt ist. Makaber, muss ich sagen. Und ich erinnerte mich dunkel an einen Fall, der sich vor mehreren Jahren in Frankreich oder Belgien zugetragen hat: eine unverheiratete, ältere Frau trug Eizellen einer Spenderin aus, die mit dem Sperma ihres Bruders befruchtet worden waren. Die Familie sollte nicht aussterben, aus dieser Motivation heraus entschlossen sich die kinderlose Frau und ihr Bruder, der auch nie eine eigene Familie gehabt hat, zu diesem Schritt, der weltweit Schlagzeilen machte und teilweise auch heftig kritisiert wurde.

Später (Leih-)Mutterschaft – kann das sinnvoll sein? Ich persönlich frage mich, ob man denn als Frau seinen Kinderwunsch wirklich nicht früher realisieren kann. Nicht nur, dass in einem Alter jenseits der Fünfzig, in dem eine normale Schwangerschaft, die aus Gründen der Fertilität kaum mehr natürlich erfolgen kann, an sich schon ein großes gesundheitliches Risiko birgt. (Der Kreislauf wird enorm beansprucht.) Die vorherige Hormonbehandlung ist außerdem sicher nicht ohne, das heißt: ich befürchte später ein erhöhtes Risiko an Brust oder Eierstockkrebs. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass mit einem höheren Alter auch die Wahrscheinlichkeit sinkt, das eigene (oder besser gesagt: selber ausgetragene) Kind auch noch als Erwachsene/r zu begleiten. Späte Väter – von Roberto Blanco bis Gunter Philip – bagatellisier(t)en diese Thematik gern, aber späte Elternschaft ist im Besonderen auch eine Frage der Verantwortung.

Wer wird für mein Kind da sein, wenn ich nicht mehr bin? Dieser Aspekt gerät oft in den Hintergrund, weil er auch gleichbedeutend ist, sich mit seinem eigenen Tod auseinanderzusetzen. Und wer tut das schon gern? Gerade was die holde männliche Prominenz betrifft: Schlagzeilen machen als „Spätberufener in Sachen Nachwuchs“ auf der Titelseite der Boulevardzeitungen – das tut dem Ego fraglos gut. Austragen musste man das süße Kleine ja nicht, und die „Produktion“ macht auch mit über Sechzig noch Spaß, selbst wenn man bisweilen Viagra dazu benötigt.

Da verstehe ich Frauen noch viel weniger, da in deren Fall der Jubel in den Gazetten meist mit viel mehr Skepsis verbunden ist. Einer Frau bringt schon normale „späte“ Mutterschaft (sozusagen im Rahmen) nie solche Anerkennung. Männer haben außerdem unleugbar einen biologischen Vorteil, und Nachwuchs im reifen Alter (man denke etwa an Clint Eastwood) umschmeichelt graue Schläfen. Wer würde zu ihm oder anderen schon Opa sagen – angesichts von so viel Männlichkeit? Aber die Problematik ist dieselbe wie bei den Frauen, die fremde Eizellen austragen: Elternschaft bedeutet Verantwortung, Elternschaft sollte nicht egoistisch gefärbt sein oder zum Statussymbol ausarten.

Aber diese Problematik gehört wohl auch zur üblichen Elternschaft. Und wer denkt wirklich schon daran, wenn er oder sie einen Kinderwunsch realisieren möchte? Ich möchte ein Kind! – wie egoistisch im Grunde. Will denn das Kind auch dich? Die Angst vor der Verantwortung hat mich immer davon abgehalten, im Gefühl der eigenen Unsicherheit diesen mutigen Schritt zu wagen. Vielleicht tut es mir einmal Leid, möglicherweise auch nicht, aber selbst wenn ich mich in ein paar Jahren überwinde und doch noch „ja“ zu einem eigenen Kind sage: die Verantwortung wird noch immer dieselbe sein. Und um die kommt niemand herum, in welchem Alter auch immer.

Vivienne

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