Neue Bohnen Zeitung


von Vivienne  –  März 2005


Heilsam

Margret stürmte aus dem Restaurant.
Viktor versuchte ihr zu folgen.
Margret.
So hör doch!
Was ist los?
Bitte…
Bleib doch stehen!
Margret lief weiter.
Unbeholfen.
Die verdammten Stöckelschuhe!
Warum trug sie auch welche?
Verrücktes Huhn das sie war!
Sie hatte sich doch nur für Viktor so aufgedonnert.
Nur für ihn…
Margret!
Energisch packte Viktor ihre Hand.
So bleib doch stehen.
Verdammt noch mal.
Was ist in dich gefahren?
Margret riss sich los.
Ihr Blick ließ Viktor zurückweichen.
Glaubst du, ich gehe mit dir essen?
Damit du mir deine neue Flamme vorstellen kannst?
Damit ich deine neue Liebe sanktioniere?
Sozusagen…?
Margret atmete schwer.
Viktor duckte sich unter ihrem Blick.
Du bist so empfindlich.
Ich wollte euch doch nur vorstellen…
Vorurteile ausräumen…
Viktor wurde leise.
Angelte nach Worten.

Margret sah ihn noch einmal scharf an.
Verpiss dich.
Lockt mich hier her.
Unter falschen Voraussetzungen…
Schleich dich aus meinem Leben!
Ich möchte nichts mehr mit dir zu tun haben!
Sie drehte sich um.
Ging weiter.
Viktor blickte ihr kopfschüttelnd nach.
Du Verrückte!
Margret sah sich vor dem Restaurant um.
Sie fror.
Der kalte Nebel biss ihre Haut.
Sie kramte in ihrer Handtasche.
Sah sich um.
War da irgendwo ein Taxi?
Jede Menge Leute kamen mit ihren Autos an.
Auch mit Taxis.
Die fuhren aber gleich weiter.
Aber da hinten.
Da stand eins.
Margret stolperte vorwärts.
Ihre Füße taten jetzt schon weh.

Viktor zündete sich eine Zigarette an.
Seine Finger bewegten sich unruhig.
Margrets Reaktion hatte er nicht erwartet.
Nicht in der Form.
Und nicht in der Heftigkeit.
Eine Brünette in den Zwanzigern kam aufgeregt auf ihn zu.
Wo ist sie?
Viktor inhalierte den Rauch.
Keine Ahnung.
Weg.
Er sah die junge Frau an.
Aber sie wird wieder kommen!
Wo sollte sie denn hin?
Sie kennt hier in Salzburg niemanden.
Pass auf.
In einer Stunde ist sie wieder da.
Die junge Frau hob skeptisch die Augenbrauen.
Und wenn nicht?
Ihre Stimme zitterte leicht.
Viktor wurde laut.
Wo denkst du hin?
Sie liebt mich.
Und sie wird den Vertrag unterschreiben.
Ich brauche ihre Unterschrift.
Ob sie will oder nicht.
Die Brünette presste ihre Lippen zusammen.
Ihre Augen konnten die Zweifel nicht verhehlen.

Margret lehnte sich im Fahrzeug zurück.
Geht es Ihnen nicht gut?
Der junge Mann musterte sie interessiert.
Margret öffnete leicht ärgerlich die Augen.
Eine spöttische Bemerkung auf den Lippen.
Der Blick des Fahrers ließ die Worte sterben.
Ich bin meinem Ex davongelaufen.
Für heute hat er mich zu einem Versöhnungstreffen eingeladen.
Aber mit seiner neuen Flamme.
Was ich nicht wusste.
Margret unterbrach sich.
Warum sage ich ihm das?
Sie horchte kurz in sich hinein.
Alles eine Farce.
Er braucht mich.
Ich habe für seine Firma einen großen Vertrag ausgehandelt.
Er war auch mein Boss.
Margret lächelt bitter.
Sie fing den Seitenblick des jungen Mannes auf.
Und sehen Sie…
Ich muss bei dem Geschäft dabei sein.
Der Deal läuft auf meinen Namen.
Darum das Ganze.
Der junge Mann nickte.
Ich verstehe.
Sie sind jetzt doppelt enttäuscht.

Margret fröstelte wieder.
Sagen Sie…
Kennen Sie eine Pension in der Stadt?
Nichts Großes.
Ich habe nicht viel Geld eingesteckt.
Für eine Nacht.
Ich möchte dann morgen heimfahren.
Ich bin nämlich eigentlich aus Graz.
Sie lächelte den Fahrer an.
Der junge Mann nickte.
Ich kenne da was.
Etwas außerhalb des Zentrums.
Meine Mutter vermietet Zimmer.
Mit Frühstück.
Was halten Sie davon?
Margret nickte.
Warum nicht.
Es muss nichts Besonderes sein.
Nur ein Bett und ein Bad…
Margret lehnte sich wieder im Sitz zurück.
Eine Träne rollte über ihre Wange.
Sie merkte es nicht wirklich.
Der junge Mann drückte ihr ein Taschentusch in die Hand.
Wortlos.
Margret blickte ihn überrascht an.
Dann begann sie zu weinen.

Viktor blickte unruhig auf die Uhr.
Fast 23:00 Uhr.
Kein Zeichen von Margret.
Die Brünette stand wütend auf.
Nahm ihr Täschchen.
Trippelte Richtung Toilette.
Viktor legte seine Handflächen auf die Stirn.
Wo konnte Margret sein?
Sie kannte schließlich in Salzburg niemanden.
Vielleicht…
Viktor griff nach dem Handy.
Wählte die Nummer des Notrufs.
Hastig begann er mit dem Beamten zu sprechen.
…sie ist labil.
Alkoholisiert.
Suizidgefährdet.
Sie müssen Sie suchen.
Unbedingt.
Bevor etwas passiert.
Viktor legte auf.
Seine Freundin stand vor ihm.
Ihre Augen drückten Verachtung aus.
Und auf die Tour willst du Sie finden?
Und wenn es nicht klappt?
Und wenn Sie schon Richtung Graz unterwegs ist?
Was glaubst du wie sie reagiert:
Dass du sie hier als eine psychisch Kranke suchen lässt!
Was wohl die Polizei erst dazu sagen wird?
Sie trat provokant auf ihn zu.
Dein Vertrag ist gestorben.
Spätestens wenn sie das erfährt.
Und deine Firma crasht!
Du bist ein Looser!
Viktor gab ihr eine Ohrfeige.

Die ältere Frau öffnete die Zimmertür.
Alles frisch bezogen wie Sie sehen.
Mit Wasser und Seife.
Handtüchern.
Und eine Dusche am Flur.
Frühstück wann Sie wollen.
Aber ab 6:30 Uhr.
Sie lächelte Margret an.
Wenn Sie noch was brauchen…
Sie sprach den Satz nicht zu Ende.
Margret nickte.
Sie schloss die Tür.
Ging ins Zimmer.
Zog sich aus.
Warf die Stöckelschuhe in eine Ecke.
Wusch sich das Gesicht.
Trocknete sich ab.
Ertappte sich, wie sie an den jungen Taxifahrer dachte.
Er würde noch viele Fuhren heute Nacht haben…
Margret deckte sich zu.
Wischte die Erinnerung an den Abend mit einer Handbewegung weg.
Viktor war tot.
Und sein Vertrag auch.
Heftiges Klopfen weckte sie eine gute Stunde später.
Die Vermieterin.
Entschuldigen Sie.
Da sind zwei Herren von der Polizei…
Margret richtete sich auf.
Sie war sofort wach.
Was ist los?

Die beiden Männer sahen sich betroffen an.
Entschuldigen Sie…
Ein Mann hat bei uns angerufen…
Sie wären in der Verfassung sich etwas anzutun…
Margret zog die Decke über ihre nackten Schultern.
Ein Racheakt.
Ich habe Schluss mit ihm gemacht.
Sie wunderte sich selbst über ihre Spontanität.
Die Polizisten nickten.
Offensichtlich war alles in Ordnung.
Nichts für ungut.
Wir müssen solchen Warnungen nachgehen.
Aber den Herrn knöpfen wir uns vor.
Ganz sicher.
Gute Nacht.
Margret legte sich wieder nieder.
Viktor.
So ein niederträchtiger Bastard!
Sie schloss die Augen.
Und der junge Taxifahrer lächelte sie an.
Margret lächelte zurück…
Und schlief wieder ein.

Margret saß beim Frühstück.
Der junge Taxifahrer trank neben ihr Kaffee.
Lassen Sie sich Zeit.
Ich bringe Sie dann zum Bahnhof.
Margret fühlte sich seltsam geborgen.
Sie hatte nach der Störung noch gut geschlafen.
Gut und lange…
Sie rührte im Müsli.
Nippte vom Orangesaft.
Und fing einen Blick ihres Gegenübers auf.
Freundlich.
Liebenswürdig.
Interessiert…
Vielleicht auch mehr als das.
Vielleicht…
Vielleicht war das nicht ihre letzte Fahrt nach Salzburg gewesen.
Die Stadt, die sie noch nicht kannte.
Margret nickte dem jungen Mann zu.
Ihre Augen leuchteten…

Vivienne

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