Vom Leben in der Stadt…

Wie schnell die Zeit vergeht! Bald ist es wieder ein Jahr her, dass ich in die Stadt gezogen bin, von einer ländlichen Gemeinde immerhin in die Landeshauptstadt von Oberösterreich, Linz. Ein Jahr, in dem sich viel bei mir getan hat, in dem ich mit der Midlife-Crisis gekämpft habe (und noch kämpfe), in der sich beruflich manches verändert hat und in der ich die Metamorphose von der Rothaarigen zur Blondine vollzogen habe – endgültig. Wie das Tatoo, das ich seit letztem Sommer auf der linken Schulter trage, und zu dem sich heuer noch das eine oder andere gesellen wird. © Vivienne ist über Vierzig, © Vivienne will es noch einmal wissen und all die Dinge und Unarten ausprobieren, bevor sie in fünf Jahren wirklich zu alt dafür ist… Nun, nicht ganz, eine gewisse Bodenständigkeit werde ich nie ablegen können, aber sonst könnte es schon sein, dass ich öfter über meinen Schatten springe als sonst…

Was allerdings nur bedingt mit meiner Übersiedlung nach Linz zu tun hat sondern vielmehr mit meiner Midlife-Crisis… Aber die Menschen in meinem Alter kennen das Phänomen ohnedies zu gut. Zurück zu meiner Linzer Wohnung in Kleinmünchen, die ich heiß liebe und die ich zu einer grünen Oase wachsen ließ, mit Zimmerbrunnen, und meine stacheligen Freunde, die Kakteen, wuchern dort üppig. Eine grüne Lunge vor den Fenstern, ein beschaulicher Park mit wunderschönen Bäumen und gemütlichen Bänken sowie natürlich die Straßenbahnhaltestelle fast vor der Haustür veredeln den Standort, an dem ich Wurzeln geschlagen habe. Zum Einkaufen ist nicht weit, und Gott sei Dank brauche ich kein Auto, denn die Kosten würden mich wohl in Zeiten wie diesen um meine Existenz bringen. Ich liebe meine bunte Wohnung, bunt und lebendig wie das Leben von © Vivienne, auch wenn sich oft viel zu viel tut und mancher gut gemeinte Ratschlag zu einer Last wird. Teilweise habe ich im letzten Jahr durchaus gewollt die Einsamkeit gesucht und es zu schätzen gelernt, dass ich in meiner Wohnung ungestört bin und niemanden einlassen muss, den ich nicht will. Eine negative Erfahrung mit einer Bekanntschaft im letzten Herbst – der fragwürdige Herr wollte eine unverbindliche Einladung auf einen Kaffee als Entree in mein Schlafzimmer verstanden wissen – liegt mir zeitweise noch immer ein wenig im Magen. Hier in meiner Zweizimmerwohnung meine Ruhe zu haben, wann immer ich sie suchte, sollte der größte Luxus in einer Zeit werden, in der manches nicht lief wie gewünscht…

Mittlerweile hat sich vieles eingependelt. Ich habe Ballast abgeworfen, ungefähr 25 kg Körpergewicht in den letzten eineinhalb Jahren, und Menschen aus dem Leben gestrichen, die dort nie Platz haben hätten dürfen. Zudem genieße ich die so genannten kleinen Dinge viel mehr als früher. Vogelgesang vor meinem Fenster und blühende Rosen im Park erfreuen mich weit mehr als großartige lukullische Genüsse, die ich mir ohnedies nicht leisten kann – bei diesen Lebensmittelpreisen…! Im Übrigen vermisse ich das Landleben nicht: das Pendeln wurde für mich in über fünfundzwanzig Jahren zu einer echten Last. Ich bin eine Städterin geworden, ich liebe das Leben in der Stadt und die Schnelligkeit, von einer Destination zur anderen zu kommen, mit der Straßenbahn und mit Linienbussen. Daher werde ich es sicher nicht gegen ein ohne Auto sehr umständliches Leben am Land tauschen. Ich habe trotz Führerscheins kein Talent zum Auto fahren und will mich auch nicht herumquälen. Hier in der Stadt habe ich alles, was ich brauche – mehr als das, ich fühle mich wohl, wirklich wohl. An einen gewissen Lärmpegel habe ich mich gewohnt, das ging auch schnell und ansonsten habe ich keine wichtigen Gründe, meine Meinung zu ändern. Sieht man von Stippvisiten ab – ins Mühlviertel oder ins Donautal, wo meine Freunde und natürlich die Familie residieren. Es ist wunderschön, wenn man in seiner Wohnung bei einer Schale Kaffee sitzen und sagen kann: „Hier bin ich daheim!“

Die Stadt schläft nie, die Stadt pulsiert auch in der Nacht, was ich oft beobachten kann, da ich abends als Nachtmensch gerne das Treiben in der Stadt in mich aufnehme. Etwa bei einem Blick aus dem Fenster oder bei einem kurzen Spaziergang um den Block. Ich hatte großes Glück mit dieser meiner Wohnung, das wird mir fast jeden Tag neu bewusst. Mein großzügiges Bad etwa mutiert zu einer kleinen Wellnessoase, in der ich es mir gut gehen lasse – mit Schaumbädern und Badeölen, ausgestattet mit Muscheln und allerlei passendem Tand. Die Übersiedlung in die Stadt und das Gewöhnen an die neue Atmosphäre war in diesem letzten Jahr sicher mein geringstes Problem. Schlimmer wirkten sich bittere Erkenntnisse, Änderungen und Erfahrungen auf mein Leben aus. Freundschaften zerbrachen, neue kamen hinzu, aber die Flut der wohlgemeinten Ratschläge von allen Seiten hatte oft die gegenteilige Wirkung. Auch wurden und werden die Stimmen nicht leise, dass die gute © Vivienne jetzt doch endlich einen Mann braucht. Vergeudete Energie, da ich mein Glück nicht dort suche, wo man es mir aufdrängen will. Das kann nur schief gehen… Bereit sein ist alles, sagt Shakespeare, und wenn es wirklich passt, kann man der Liebe ohnedies nicht entkommen. Mein Fazit nach manch hartem Jahr in der Vergangenheit: Liebe lässt sich nicht zwingen und man kann ihr nicht nachhelfen – sie ist oder sie ist nicht!

Ohne Grün wäre mein Leben hier in der Stadt ganz sicher nicht denkbar. So sehr ich zwischen Kaktus, Gummibaum, Hibiskus und Philodendron aufblühe, so wenig interessiert mich wiederum echte Gartenarbeit. Während meine Mutter mit über siebzig Jahren noch jede freie Minute Unkraut jätet oder Pflänzchen setzt und meine Schwestern alle viel Zeit in ihren eigenen Gärten verbringen, scheue ich persönlich die rückenfeindliche Arbeit beim selbst gezogenen Gemüse. Nein, Gartenarbeit geht mir sicher am allerwenigsten von allen „Freuden“ des Landlebens ab. Dazu fehlt mir jeder Bezug weil ich, im Gegensatz zur restlichen Familie, viel mehr Zeit am PC verbringe und mich mehr oder weniger schriftstellerisch betätige. DAS ist mein Leben und nichts anderes. Mir genügt es ab und an die grünen Freunde am Fenster zu gießen, umzutopfen oder welke Blätter abzuzupfen. Ein Bekannter stellte diese meine Einstellung leicht ironisch in Frage: er meinte, es hätten doch alle Frauen irgendwie einen Hang zum „Garteln“, aber ich schlage da aus der Familie und wohl auch aus der Art. Soll so sein… Und das Leben in der Stadt kommt mir aus diesem Grund noch mehr entgegen, ich kann mein Leben und meine vier Wände doch so gestalten wie ich will. Das birgt viele Vorteile, die ich mehr und mehr genieße: Freiheit und Eigenverantwortung – und wo ist der, der mir das streitig machen will?

© Vivienne

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