Von der Putzwut besessen…

Es gibt kuriose Menschen um uns, mehr als man vermuten möchte. Oft sieht man ihnen nicht an, wie eigen sie im Grunde sind und welch schräge Angewohnheiten sie in ihren vier Wänden pflegen. Erst wenn man in einem konkreten Fall einmal von jemandem hört, der privat so ganz anders lebt als der Durchschnittsmensch, wird einem bewusst, wie groß Gottes Tiergarten wirklich ist. So ging es etwa mir, als Albert mir von einer neuen Kollegin erzählte, in der wohl selbst der Fernsehdetektiv Monk mit seinen Eigenheiten seinen Meister gefunden hätte…

„Der Chef hat ja eine neue Sekretärin gebraucht, nachdem ihm seine „Jausenholerin“ abhanden gekommen ist.“ Albert lachte in Erinnerung, als er unvermittelt mit seiner Geschichte begann. „Und Grete Amstler schien die ideale Frau dafür zu sein. Eine fast erwachsene Tochter, geschieden und sehr arbeitsam. Und bereit zu jeder Menge Überstunden…“ Ich biss von meinem Apfel ab. „Tatsache? Hat sie ihm auch die Jause geholt?“ Albert grinste. „Hat sie nicht. Seit der Sache mit der Vorgängerin brachte er sich immer selber was mit.“ Ich kaute eifrig. „Und was kann diese Wunderfrau? Ist sie Weltmeisterin im Tippen oder kann sie tatsächlich den Umsatz steigern?“ Eigentlich tangierte mich diese Frau nicht besonders, darum tat ich auch sehr desinteressiert und lästerte ein wenig.

Albert beobachtete mich ein wenig von der Seite. „Auch wenn du es nicht glaubst, sie ist die schrägste Person, mit der ich jemals zu tun hatte. Ich dachte nicht, dass es Verrückte dieser Art in echt gibt.“ Ich legte den Apfel zur Seite. Ich war jetzt bemüht gegen meine Skepsis anzukämpfen „Und wie ist sie nun wirklich? Erzähl’ doch…!“ Albert hatte sich eine Zigarette angezündet und blickte den Rauschschwaden nach, die er beständig produzierte. „Die Frau Amstler ist das Tagesgespräch in der Firma. Eigentlich redet keiner mehr davon, wie lange sie es hier aushält, seit Frau Amstler kürzlich mit ein paar Kolleginnen auf einer Tupperware-Party war. Dort ist die Zunge der Frau Amstler nach einem Schluck Sekt etwas lockerer geworden….“

Ich grinste verhalten. Nach wie vor hatte ich meine Zweifel, ob diese Frau Amstler wirklich so aufregend war aber ich fixierte den halb aufgegessenen Apfel und lieh meinem Mann ein Ohr. Albert warf mir immer wieder amüsierte Seitenblicke zu, während er die Geschichte weiterspann. „Ob du es glaubst oder nicht, Frau Amstler plauderte freimütig aus, wie ihr Leben so aussieht. Allein, Mann gibt es seit der Scheidung keinen mehr in ihrem Leben und so wie sie lebt, wird sich wohl auch nicht so schnell einer finden…“ Blahblah, dachte ich mir. Wie wäre es, wenn du mal wirklich erzählst, was die Frau so treibt? Albert schien das nicht zu stören, er zog an der Zigarette, blies mir boshaft den Rauch ins Gesicht und bequemte sich dann doch, das Ungeheuerliche in Worte zu fassen.

„Sie ist unmöglich. Sie hat einen Putzwahn, anders kann man es nicht nennen. Das fängt schon bei ihr selber an. Sie schrubbt sich jeden Tag morgens und abends um ganz sauber zu sein, am ganzen Körper, und davon hat sie sogar einen Hautausschlag bekommen. Ja, Vivi, sie leidet jetzt an einem hartnäckigen Hautausschlag, aber sie bestreitet, dass das Leiden von ihrer vermutlich chlorhaltigen Waschemulsion kommt, die sie benutzt. Für das Zähneputzen hat sie jeden Tag in der Früh, zu Mittag und abends jeweils fünfzehn Minuten eingeplant. Ich vermute auch, dass sie jeden Tag eine neue Zahnbürste braucht, denn keine kann diese Prozedur länger als einen Tag durchhalten. Aber das sage jetzt ich…“

Mittlerweile sah ich nur mehr Albert an und nicht mehr den Apfel. Meine Neugierde war geweckt und mein Mann genoss meine ganze Aufmerksamkeit. Albert dämpfte die Zigarette aus. „Das ist noch lange nicht alles, mein Schatz. Die Frau putzt ständig, jeder Tag in der Woche ist für einen bestimmten Bereich im Haus auserkoren. Sie saugt, sie arbeitet mit Desinfektionsmitteln, sie putzt Fenster jede Woche, auch bei Frost. Ich wundere mich, dass ihr noch keine Fensterscheibe zersprungen ist. Zwei Tage in der Woche sind zusätzlich dem Bügeln gewidmet, die Kleidungsstücke sind nach exakten Winkeln zusammengelegt, die jeden Mathematiker vor Neid erblassen lassen würden. Jedes Kleidungsstück wird außer mit Stärke auch mit einem speziellen Mottenschutz bearbeitet. Darum riecht die Frau auch so komisch, und ich dachte anfangs noch, was hat die bloß für ein Parfüm…“

Kopfschüttelnd folgte ich den Erläuterungen meines Mannes. Mir fiel immer wieder mein Krimiheld Monk ein, der sich schnäuzt und die Taschentücher dann in Säcke einschweißt. Ob sie das auch macht? fragte ich mich, während Albert schon wieder fort fuhr. „Du kannst dir nicht vorstellen, was es da für eine Diskussion gegeben hat in der Runde. Den anderen Frauen war dieses Verhalten logischerweise mehr als nur suspekt. Aber obwohl alle gegen sie argumentierten, prallte die Opposition an Frau Amstler ab. Kein Wunder, so wie sie mit ihrer Kleidung gegen schädliche Einwirkung von außen abgesichert ist…“ Ich musste grinsen. Na, ganz so verhielt es sich dann wohl auch nicht, aber eines war klar: Frau Amstler war ein Freak wie er im Buche steht, ein echtes Unikum!

Für Michi und DANKE für die Verwendung der Geschichte! J

© Vivienne

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