Weltwirtschaftskrise, die Dritte

Können Sie sich vorstellen, sie entscheiden über Wohl oder Wehe, über Haben oder Nichthaben, über Gewinn oder Verlust, über hell oder dunkel, über Tod oder Leben und alles was Sie entscheiden, betrifft alle und Jeden, nur nicht sie selber?
Können Sie nicht?
Ich, ehrlich gesagt, auch nicht und das eint uns! Denn wir sind alles, nur keine Bankenmanager. Wir sind, und da möchte ich Ihnen schon mal mein Mitgefühl ausdrücken, im günstigsten, oder nach Lage der Dinge im ungünstigsten Falle, lediglich Aktionäre!

Wir gehören also zu den Leuten, deren Geldgier, die teilweise „sehr solide aufgestellten Geldhäuser“, zu immer größeren Risiken verleitet haben, wie Herr Ackermann vor noch nicht einmal Jahresfrist verlauteten ließ.
Herr Ackermann machte damit schon lange, bevor das möglicherweise letztendliche Ausmaß der Welt-Bankenkrise sichtbar wurde und um eine solche handelt es sich natürlich, trotz der Behauptung es handele sich um eine Welt-Wirtschaftskrise, die Anleger voll verantwortlich. Mit aller Konsequenz!
Herr Ackermann wusste vermutlich schon längst, wo die wahren Schuldigen sitzen.
Nicht der Berater der Bank, der nicht müde wurde, Sie auf die ungeheuren Chancen einer seriös geplanten Geldanlage hinzuweisen, träge die Schuld, sondern Sie! Denn Sie waren es, der nach immer mehr Mehrwert lechzte! Der, der das ganz große Rad drehen wollte! Der, der den höchsten Zinssatz für seine Spargroschen einforderte. Der, der alle Risiken bewusst negierte!

Und seien Sie doch mal ehrlich, Sie waren es doch wirklich!
Also eines dürfte doch wohl klar sein. Wenn es nicht das überflüssig auf zinsertragfreien Sparkonten geparkte Milliardenvermögen von Privatleuten gegeben hätte, hätte es auch nicht immer wieder „Neuste Produkte im Finanz- und Anlagesektor“ gegeben. Hätten sich doch Sparkassen, Landeszentralbanken und die einst so seriösen Geldhäuser gar nicht an höchst risikobewehrten Finanzabenteuern zu beteiligen brauchen.
2% aufs Sparbuch übers Jahr gesehen hätte es doch auch sein dürfen, oder?
Gleicht noch nicht mal die Inflation aus, sagen Sie?

Also, diese Antwort im Blick, oder besser noch im Ohr, veranlasste anno dunnemals, so um Ende der achtziger Jahre herum, eine handvoll von Geldfachleuten in Manhattan das Bankenwesen wenn schon nicht neu zu erfinden, so doch gehörig umzukrempeln.
Diese Kerle, die, die beinahe alle auf denselben Unis gehockt hatten, um anschließend bei den gleichen Banken zu arbeiten und nun im Finanzdistrikt in Manhattan vom „Big Money“ träumten, dachten alle an Alfred Winslow Jones, den Erfinder der „Hedgefonds“ und an seine bereits schon 1949 ausgebrütete Idee.
Jones stellte damals fest, dass derjenige der Aktien kauft, nicht etwa nur eine Beteiligung an einem Unternehmen und damit eine Beteiligung an dessen Jahresergebnis erwerben will, sondern dieses von ihm ausgewählte Papier einfach nur für unterbewertet hält!
Ein Papier also, das seinen Wert in absehbarer Zeit steigert.
Und Jones bemerkte, dass immer, wenn es genügend Leute geben würde die diesen Gedanken hätten, der Wert dieses Papiers einfach steigen müsste. Weil, wenn dieses Papier gefragt wird, die Notierung in Wallstreet steigt! Wenn dann noch Informationen gestreut werden, das Papier oder das Unternehmen betreffend, eine Menge Geld zu machen sein müsse, ganz zwangsläufig!

Nun kam zu Herrn Jones Erkenntnis noch eine weitere Erkenntnis, nämlich die, dass wenn ein Papier heute unterbewertet sein sollte und dieses sich bis morgen, sagen wir mal 12 Uhr rumspricht, man doch noch heute hingehen könne und dieses Papier „leer“ zu handeln! Es also auf Kredit zu kaufen und es erst morgen Nachmittag zu bezahlen!
Oder, was noch besser wäre, es sich heute einfach „auszuleihen“, es verkaufen, um es morgen Nachmittag zu geringeren Einstandspreisen zurückzukaufen, um es dem Besitzer zurückzugeben.
Dann nämlich, wenn fallende Kurse zu erwarten sind!

Nun gut, Jones Idee geisterte bis etwa 1990 in den Köpfen der Fachleute herum, ohne bis dahin ernsthafte Konsequenzen zu haben. Es schien eine Sache für Leute zu sein, die das gesamte Börsengeschehen der Welt ununterbrochen im Auge hatten und die sich auch noch darüber hinaus, auf die Kunst des „Kaffeesatzlesens“ verstanden.

Der 22jährige Kenneth Griffin, einer der Manhattan-Boys, gründete dann 1990 seine „Citadel“ genannte Bude und reite sich damit in die etwa 400 bereits bestehenden Hedgefons ein, die bis dahin etwa 40 Milliarden Anlegerdollar verwalteten.
Alle 400 Fonds zusammen, versteht sich.

Kenneth Griffin hielt zuletzt jede zehnte Milliarde aller Anleger, die er in im Tageshandel zu mehren versprach.

Die eigentliche Idee dieses Geschäftsmodels war eigentlich, dem Anleger versprechen zu können, ihn frei von irgendwelchen unabsehbaren Kursrisiken der Börsen zu halten. Die Fondsmanager versprachen in guten Zeiten Riesengewinne und in schlechten Zeiten immer noch Gewinne zu machen. Alle Risiken seien eigentlich damit eliminiert. Aktienkauf ganz ohne Risiken? Alle Anleger verdienen, ganz egal wie die Werte an den Börsen gehandelt werden?

Und welche Kosten waren für die Anleger zu bezahlen? Denn eines war klar, soviel Sicherheit muss natürlich irgendwie bezahlt werden!
Also zunächst kassierten die Fondsmanager jährlich zwei Prozent der Einlagen. Hierzu waren noch 20% der Gewinne als Provisionen von den Anlegern zu bezahlen!

Die zuletzt ca 18.000 Hedgefonds, von denen wohl nur noch 5.000 übrig bleiben werden, wenn diese Krise abgehandelt sein wird, setzten auf völlig unterschiedliche, auch von Bankern kaum noch zu überschauende Strategien.
Handelten einige nur mit den vom Anleger eingezahlten Geldern, zockten andere wiederum, mit bei anderen Geldinstituten aufgenommenen Krediten, wobei die anfallenden Zinsen bei kürzesten Laufzeiten eigentlich gar keine so große Rolle spielten.
Wenn man mit 100 Millionen eigener Gelder 10 Millionen Gewinne machen kann, so sollte man doch ebenso mit 10 eigenen Millionen und noch dazu geliehenen 90 Millionen die eben gleiche Summe verdienen können.

Da es beinahe keinerlei gesetzlichen Beschränkungen gab, versuchten viele Fondsmanager mit 3 Millionen und weiteren Krediten von 97 Millionen den „ganz großen Deal“ zu machen. Eine Kontrolle fand eigentlich gar nicht und wenn überhaupt, nur sporadisch statt.

Und somit kamen die zuvor noch so „gut aufgestellten seriösen Institute“ ins Spiel. Die Hedgefonds boten den Banken nicht nur eine relativ gute Verzinsung für Kurzzeitkredite, sondern zudem die Möglichkeit, Risiken zu verschieben und in große Pakete zu schnüren. In diesen Paketen wurden riskante Papiere mit guten Werten vermischt, was den Banken zu den Quartals-Stichtagen immer gut zu Pass kam. Anstelle von Wertberichtigungen, also Abschreibungen vorzunehmen, konnten blitzschnell stille Reserven aktiviert werden, falls notwendig geworden.
Die Kreditausfallsicherung wurde zudem über solche Papierbündel, deren Inhalte meist nur ziemlich vage bezeichnet waren, vorgenommen.
Daher sitzen nun auch nicht wenige Banken auf genau diesen Papieren, die eigentlich nicht mehr handelbar sind.

Die Banken konnten also jederzeit, das zur Absicherung der Einlagen erforderliche Eigenkapital nachweisen, obwohl es im Tagesgeschäft kaum vorhanden war.

Zu dieser Verschleierungstaktik gründeten nicht wenige Banken eigene Auffanggesellschaften, die lediglich diesem Zweck dienend, eigentlich nur aus einem spartanisch eingerichteten Büro mit PC, Telefonanschluss und Standleitung zum Mutterunternehmen bestanden. Der inländischen Gesetzgebung wegen, vornehmlich im Ausland.
Insider sprachen oft von so genannten Hedgefond-Hotels, wenn sich unter einer einzigen Geschäfts-Adresse, 90 oder noch mehr Firmen zu exact diesem Geschäftszweck versammelt hatten.

Aus den wenigen Angestellten dieser „prime broker“ genannten Firmen, rekrutierten sich nicht selten dann die nächsten Fondmanager!

Und dann ganz plötzlich und „unerwartet“ die Katastrophe!

Als am 15 September 2008 die Investmentbank Lehmann Brothers wegen plötzlich nicht mehr zu verschleiernder Hypothekenausfälle pleite machte, verfielen beinahe alle Hedgefondsmanager in Argonie, weil alle daran beteiligt schienen, was zudem auf Anlegerseite zu Anarchie führte.
Zwar gelten bei Rückforderungen von Anlagekapital, Wartezeiten von zwei Wochen bis zu sechs Monaten und die Geldabwanderung hielt sich zunächst noch in Grenzen, doch die Nachrichten über die Besorgnis der Anleger, brachten große Unsicherheiten auf beiden Seiten der Geschäftspartner. Die Banker, vor dem Run auf die Schalter zitternd, kürzten kurzfristig Kreditlinien von „Wackelkandidaten“ oder kündigten diesen einfacherhalber noch länger laufende Kredite.

Hier machte sich das eingeübte Buschtrommel-Verhalten dieser hochgebildeten und bestens geschulten Fachleute für Vermögenswerte, auf eindrucksvollste Weise negativ bemerkbar.

Wer immer nur zwischen den Zeilen zu lesen gewohnt ist, vertraut nun mal lieber seinem „Bauchgefühl“, als veröffentlichter Faktenlage!
Nun hieß es aufeinmal, abstoßen solange es noch geht! Bis nichts mehr ging und das schon sehr bald! Gewinne? Lächerlich! Nun hieß es nur noch Verluste zu vermeiden.

Die Hedgefonds hatten eine Todsünde begangen! Sie hatten ihr Versprechen gebrochen: „in guten Zeiten sehr viel Geld zu machen und in schlechten Zeiten immer noch mit Plus abzuschließen.“

Dazu kamen Nachrichten, wonach auch die großen Hedgefonds ihre Auszahlungen kurzerhand einstellten.
Sogar Griffins „Citadel“ stellte laut „Finanzial Times“ nach einem Jahresminus von 50% alle Rückzahlungen aus seinem wichtigsten Fonds bis Ende März zurück.
Hieraus ergab sich mächtige Verunsicherung.
Die Anleger fingen an, an den „bisher stabilsten Börsenwerten“, also den großen Industriekonzernen zu zweifeln, an deren Bonität bisher wenig Zweifel war.
Waren diese eigentlich noch flüssig? Wie groß war der Stand der Verschuldung? Würden neue Kredite erteilt? Plötzlich fühlte jeder sich zum Börsen-Analysten berufen. Langjährige Kritiker und Skeptiker wurden ganz plötzlich gehört.

Diese Verunsicherung führte dann tatsächlich im Verlauf des Septembers zu einem Einbruch an den Börsen von mehr als 30%, was absolut katastrophal war. Was natürlich auch so zu erwarten war! Wenn es 18.000 Fonds gibt, die sich mit ihrer Fantasie an den immer gleichen Papieren gesund stoßen wollen, können diese Papiere doch nur immer mehr die Fantasie beflügeln. Was nichts anderes heißt, als das diese Papiere bei nur noch wenigen handelnden gesunderen Fonds, erheblich an Wert verlieren müssen. Steigende Kurse sind nur bei verstärkter Nachfrage zu erwarten.
Stoßen alle ab, versackt der Kurs! Und hier nun passierte und passiert auch noch heute genau das.
Neuemissionen wurden, wenn überhaupt noch, überaus kritisch beäugt und im Zweifel nicht mal mehr gezeichnet!

Agierten diese Fonds eigentlich im total luftleeren Raum? Galten Gesetze gar nichts im Geschäft mit dem schnellen Geld? Hätte der Staat, die Staaten, besser aufpassen müssen? Waren es nur die Leerverkäufe, die von nicht wenigen Ländern im Verlauf der Krise sofort verboten wurden, die das System zum Einsturz brachten?

Hier könnte man einwenden, dass gerade die hoch regulierten Geschäftsbanken mit ihrer „übertriebenen Ängstlichkeit“ den Ausschlag gegeben hätten. Die Leerverkäufe könnten rückblickend schon als Brandbeschleuniger gelten, doch die ganze negative Entwicklung ist wohl doch nur im Rückblick, in nächster Zukunft zu bewerten.

Nun also wird aus allen Richtungen beinahe hysterisch nach dem Staat gerufen.
Die Politik, die in den letzten Jahren allen Rufern nach Regulierung die kalte Schulter zeigte, bemüht sich nun, für Beruhigung zu sorgen.
Der G20 Weltfinanzgipfel im November gab die Parole aus, dass „alle Finanzprodukte in Zukunft strengster Kontrolle unterworfen würden“!

Alles solle in Zukunft Gegenstand umfassendster Aufsicht werden.

Nun gut, abschließend bleibt nur zu sagen, dass die überlebenden „Finanzdienstleister“, als solche sie sich immer bezeichnen, wohl überleben werden. Und rückblickend wird man wohl nur feststellen können, dass unser Finanz- und Wirtschaftssystem im Großen und Ganzen stabil gewesen ist.
Eines allerdings wird dennoch zu bemerken sein: In einigen Jahren wird alles wieder so sein wie vor der Krise! Denn Sie und ich, wir sind immer noch die Gleichen! Die immer noch gleichen, kleinen geldgierigen Gnome, die mit einem Inflationsausgleich für ihr gebunkertes Geld eben nicht zufrieden sind.

Und es ist an Managern wie Herrn Ackermann, uns dafür die Möglichkeiten aufzuzeigen! Und so wird es sich weiter drehen! Und wir werden das ganze noch befeuern, mit unserem Geld.

Allerdings wird das Rad, an dem wir alle drehen, sehr viel kleiner sein.

Zumindest in den ersten Jahren.

Gruß Antoine Susini 17.Jänner 09

Quellen: Internet, Bilanzen Deutsche Bank, versch. Jahrgänge und weiteres veröffentlichtes Zahlenwerk. Sowie DIE ZEIT

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