Zwangsbeglückt

Auch wenn so mancher der Ansicht ist, dass wir Herr unserer Emotionen und immer selbst verantwortlich sind, für das was wir fühlen: die Liebe allein schon führt diese These ad absurdum, denn wenn die Liebe einschlägt wie ein Blitz, sind wir machtlos. Diese sensiblen Gefühle spielen sich im unbewussten Bereich ab, und genau so wenig, wie wir beeinflussen können, wem wir unser Herz schenken und zu Füßen legen, genauso wenig können wir wirklich beeinflussen, wen wir gern haben und wen nicht. Was wir unbewusst registrieren, wenn wir jemanden kennen lernen, spielt sich in Sekundenbruchteilen ab, und oft sind es Kleinigkeiten, die dabei den Ausschlag geben. Nichts desto Trotz, ist das Füllhorn der Gunst einmal verteilt, ist es fast nicht mehr möglich, eine Umkehrreaktion durchzuführen… die Würfel sind gefallen!

Nicht dass mir Alberts Schulkollegin Meike unsympathisch gewesen wäre, die mit ihrem kleinen Sohn und ihrem Mann bei uns zu Gast war, aber wenn es um Frauen in Alberts Leben ging, reagierte ich meist etwas zurückhaltend. So etwas wie versteckte Eifersucht keimte in so einer Situation immer in mir auf, und am stärksten verspürte ich dieses Gefühl immer in Gegenwart von Babsi, Alis früherer Freundin und Mutter seiner Tochter Melanie. Selbst die häufigen Besuche bei der kleinen Familie – Babsi war längst verheiratet und erwartete ein Kind von ihrem Mann – hatten nichts daran geändert. Dabei war Babsi sehr nett und umgänglich, sie und Albert hatten einfach nicht zusammengepasst. Aber meine Gefühle für sie blieben vorläufig noch indifferent…

Ich schenkte Meike, Alis Schulkollegin, noch ein wenig Kräutertee ein und sehnte mich nach einer Zigarette. Meike hasste aber Zigarettenrauch und ich wollte deswegen nicht während des Besuchs auf den Balkon flüchten. Also kämpfte ich gegen die Sucht in mir, trank noch mehr Kaffee als sonst und nickte zu allem engagiert, was Meike erzählte. Ali durchschaute mich mit einem Blick, er setzte verstohlen ein Grinsen auf und bot Jochen, Meikes Mann, ein weiteres Stück Kuchen an. Das viele Reden von Meike ging mir etwas auf den Geist, wenn ich ehrlich war, obwohl ich zugeben musste, dass die Frau sicher hoch intelligent sein musste und durchaus etwas zu sagen hatte. Ehrlich gesagt, lag mein Unmut eher an meiner Zigarettensucht, die ich nicht befriedigen konnte – und an dieser leisen Eifersucht. Ali hatte mir nämlich gestanden, dass er in seiner Hauptschulzeit in Meike verliebt gewesen war…

Schließlich fragte ich Meike und Jochen so nebenbei, wie sich die beiden denn kennen gelernt hätten. Ich versprach mir keine sensationellen Informationen davon, aber Meike und Jochen grinsten sich fast wie auf Kommando an und Meike nickte schließlich. „Das war ganz bezaubernd, ich kann dir nur sagen, © Vivienne, das war einfach ganz bezaubernd…“ Ihre Augen strahlten dabei ganz verliebt, dass mir bewusst wurde, wie lächerlich meine versteckte Eifersucht war. Meike wischte ihrem kleinen Sohn einen Fleck aus der Hose und dann ließ sie sich bequem in den Stuhl zurück gleiten. „“…eigentlich sollten wir gar nicht beisammen sein, nicht wahr, Jochen? Aber erstens kommt es anders, zweitens als man denkt!“ Zum ersten Mal hörte ich Meike richtig zu. Das schien ja interessant zu werden!

„Ich war fast drei Jahre Single!“ fuhr Meike fort. „Und was ich nicht ahnte, einer guten Freundin von mir, Karina, war die Idee gekommen, mich mit ihrem ebenfalls allein lebenden Bruder zu verkuppeln, Markus. Ich kannte den Typen damals kaum, er war mir nicht besonders im Gedächtnis haften geblieben, außer …“ Meike verzog den Mund ein wenig. „Irgendwie war er mir nie besonders sympathisch gewesen, wenn ich ehrlich bin… Aber Karina hatte es sich in den Kopf gesetzt. Und bei einer Familienfeier war ich nicht nur eingeladen, ich kam auch neben Markus zu sitzen. Natürlich nur zufällig.“ Ich grinste vergnügt. Das klang ja einigermaßen spannend… Meike streckte sich kurz und sah mich an. Offenbar war ihr auch aufgefallen, dass ich jetzt viel aufmerksamer zuhörte, als zuvor. „Nun ja, aber das mit Markus und mir sollte offenbar wirklich nicht sein. Das erste Mal befanden wir uns sozusagen in engerer Tuchfühlung, aber während das Gespräch eine Weile zwischen uns ganz passabel hin- und herging, krachten wir später am Abend vollends aneinander.“

„Wie das?“ Ich konnte mir diese Frage nicht verbeißen. Meike lächelte. „Natürlich nur zufällig hatte mir Markus seine Vorstellungen von einer Beziehung unterbreitet. Und dass Hausarbeit reine Frauensache wäre, so wie der Mann arbeiten ginge. Und die Entscheidungen träfe…“ Solche weltfremde Typen gab es noch immer genug, in der Tat! Meike fuhr fort. „Wir sind jedenfalls im Streit auseinander gegangen. Ich verließ die Feier früh und lief auf dem Parkplatz, wo mein Wagen stand, einem netten Herrn über den Weg. Er hatte eine Panne und kein Handy…“ Unschwer zu erkennen, wer der nette Mann gewesen war, denn Jochen hatte wie auf Kommando ein breites wie verliebtes Lächeln aufgesetzt. Er legte seinen Arm um Meike, die weitererzählte. „…natürlich war das nicht von Anfang an die große Liebe, aber die Gefühle zwischen uns entwickelten sich ziemlich schnell. Obwohl Karina immer wieder versuchte, mich mit Markus zu versöhnen. In der Hoffnung, dass sich doch noch tiefere Gefühle zwischen ihm und mir entwickeln würden…“

Eine kurze Pause entstand. Meike starrte verträumt durch unser Wohnzimmer. „Aber das ist ihr nicht gelungen. Als Karina bemerkte, dass ich mit Jochen längst ein Herz und eine Seele war, reagierte sie sauer, nein, sogar richtig gehend verschnupft. Wenn ich ehrlich bin, ist unsere Freundschaft daran zugrunde gegangen. Ich habe sie mittlerweile Jahre nicht gesehen und bei unserer Hochzeit war sie auch nicht.“ Sie lachte ihren Mann an. „Aber nach dem ich irgendwann ihre Verkupplungsversuche von damals aufgedeckt habe, hat mir das nicht mehr so viel ausgemacht. So eine verrückte Idee! Indirekt hat sie aber trotzdem zu unserem Glück beigetragen, nicht wahr?“

Danke, Gisi, für diese Geschichte!

© Vivienne

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