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 Home Prosa Aus dem Hinterhof der Seele

06.11.2005, © Vivienne

Alte Liebe rostet nicht?

Fritz Burger saß grübelnd vor dem Haus.
Nicht einmal das Bier wollte ihm heute schmecken.
Und wer war Schuld?
Fritz schnaubte empört.
Rosa.
Seine Frau.
Fünfunddreißig Jahre waren sie jetzt verheiratet.
Hatten drei Töchter miteinander.
Drei Töchter, die längst selber Familie hatten.
Also lebte er mit Rosa allein.
Schon einige Jahre.
Fritz hatte die Stirne in Falten gelegt.
Losgegangen war es, als er in Pension gegangen war.
Zumindest kam es ihm so vor.
Rosa war immer eine hantige Frau gewesen.
Nicht auf den Mund gefallen.
Aber das war nichts gewesen.
Nichts dagegen
Wie sie ihn jetzt schikanierte.
Seit die Kinder ausgezogen waren.
Die Nachbarn hatten ihn erstaunt angesehen.
Als er einmal sein Herz ausgeschüttet hatte.
Sie keppelt?
Ja, dann lass sie halt!
Ja, wenn es nur keppeln gewesen wäre!

Rosa machte ihn jeden Tag zur Schnecke!
Anders konnte man es nicht nennen.
Nichts konnte er ihr mehr recht machen.
Gar nichts.
Bist du verrückt geworden?
Das war ihr Lieblingssatz.
Ihn bekam er oft zehnmal am Tag zu hören.
Warf er die alten Kirschen in den Kompost.
Hätte er sie besser wegwerfen sollen.
Schnitt er die Obstbäume zurück.
Machte er natürlich alles falsch.
Was man nur falsch machen kann.
Schließlich war ihm aufgefallen.
Er hatte viel öfter Kopfschmerzen wie früher.
Und nachts lag er oft wach.
Manchmal sogar Stunden.
War das der Lebensabend, von dem er einmal geträumt hatte?
Vierzig Jahre hatte er in der VOEST gearbeitet.
Schichtdienst.
Daneben hatten sie das Haus gebaut.
Er und Rosa.
Die Mädels großgezogen.
Und immer hatten sie gesagt:
In der Pension lassen wir es uns gut gehen.
Da gehen wir alles langsam an.
Ohne Stress.
Da haben wir endlich Zeit für uns…

Fritz trank vom Bier.
Und verzog den Mund
Jetzt war es auch noch warm geworden.
Pfui Teufel!
Was war da schief gelaufen mit ihm und Rosa?
Er begriff es nicht.
Das Haus war schuldenfrei.
Eine schmucke Oase.
Erst letztes Jahr hatten sie sich ein neues Schlafzimmer gekauft.
Es ließ sich gut wohnen.
In ihrem Haus.
Und gerade deshalb verstand er Rosa nicht.
Nein.
Sie wirkte geradezu verbittert auf ihn.
Und an ihm ließ sie ihren Ärger.
Ihren Unmut aus.
So kam es ihm zumindest vor.
Fritz erinnerte sich.
Letzte Woche hatte er einmal versucht mit seiner Frau zu reden.
Aber Rosa!
Warum kann ich dir nichts mehr recht machen?
Warum schimpfst du immer so?
Ein Friedensangebot.
Um mit ihr ins Reine zu kommen.
Aber Rosa hatte ihn nur erbost angeblickt.
Ach du…!
Ende der Diskussion.
Fünf Minuten später hatte sie ihn schon wieder angepfaucht.
In der alten Tonart.

Fritz leerte sein Bierglas aus.
Das Bier würde auch nicht mehr besser werden heute.
Was war nur los mit Rosa?
Sie war so ein hübsches Mädchen gewesen.
So jung.
So fröhlich.
Und so stark.
Während des Hausbauens hatte sie alles für ihn getan.
Er erinnerte sich genau.
Ihm den Papierkram abgenommen.
Und sie hatte auf viel verzichtet.
Vielleicht auf zu viel…
Vielleicht war es die verlorene Jugend, der sie nachtrauerte.
Die verpassten Gelegenheiten.
Urlaubsreisen.
Ausflüge.
Chicke Kleidung.
Oder einfach so manches abseits des Alltags.
Die kleinen Freuden.
Fortgehen.
Ein wenig Unterhaltung.
Wer weiß?

Fritz blickte starr auf den Boden.
Womöglich…
Sie hatten wohl auch verlernt miteinander zu reden.
Er und Rosa.
Wahrscheinlich hatten sie es gar nicht gemerkt.
Und die Kinder hatten sie zusammengehalten.
Wusste er eigentlich was sie dachte?
Was sie fühlte?
Nein.
Sie war immer da gewesen.
Seit sie beisammen waren.
Und doch war sie ihm auch fremd geblieben.
Weil sie zu wenig Zeit für sich gehabt hatten.
Viel zu wenig.
Das Haus.
Dann die Kinder.
Und schließlich der Job im Seniorenheim.
Nervenaufreibend.
Rosa hatte ihr ganzes Leben nur gearbeitet.
Und jetzt trauerte sie wohl den verpassten Gelegenheiten nach…
Statt das zu genießen.
Das sie noch vor sich hatten.
Hatte sich Verbitterung in ihr breit gemacht.
Die sie mehr und mehr beherrschte.
Und er, Fritz, bekam es zu fühlen…

Nach einer wahren Begebenheit…

Vivienne

 

 

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