Home Prosa Aus dem Hinterhof der Seele
05.05.2005, © Vivienne
Sunrise, Sunrise
Margot stand am Balkon.
Die Sonne ging gerade unter.
Prachtvoll rot war der Himmel gezeichnet.
Margot selber nahm das Farbenspiel nicht wirklich war.
Sie hielt ein Weinglas in der Hand.
Es war noch fast voll.
Ein wundervoller alter Rotwein.
Max hatte ihn ihr aus Spanien mitgebracht.
Und ihr versprochen:
Nächstes Jahr fahren wir gemeinsam hin
Gemeinsam
Margots Augen füllten sich mit Tränen.
Sie erinnerte sich genau.
Zu genau.
Jedes Detail der romantischen Szene fiel ihr wieder ein
Margot presste die Lippen aufeinander.
Sie begann zu schluchzen.
Ihr Körper zitterte.
Das Weinglas fiel zu Boden.
Zerbrach
Margot lächelte Max verliebt an.
Sie tanzten.
Eng umschlungen.
Margot hatte die Augen geschlossen.
Sie fühlte Max Körper und seine Hände.
Und seine Lippen.
In ihrem Gesicht.
Auf ihrem Hals
Verträumte Swingmelodien klangen aus den Lautsprecherboxen.
Margot träumte.
Während Max sie auf die Couch trug.
Nora Jones begann zu singen.
Sunrise, sunrise
Max schälte sie aus ihrem Top.
Margot streifte ihre Sandalen ab.
Darauf hatte sie gewartet.
Seit Wochen.
Sie hatte noch jeden Mann gekommen, den sie wollte.
Aber keinen hatte sie je so gewollt wie Max
Eine halbe Stunde später schleppten sich die beiden ins Schlafzimmer.
Das Liebesspiel ging weiter.
Wurde drängender.
Um in einem einzigartigen Finale zu kulminieren.
Allmächtiger.
Seltsam.
Jedes mal wenn sie kam, formte sich dieses Wort in ihrem Kopf.
Sie schlief in Max Armen ein.
Gefangen in einer bunten Glückskaskade
Gegen morgen wurde Margot wach.
Es zog etwas.
Die Balkontür war ein Stück offen.
Sie schlüpfte in ihr Neglige.
Trat auf den Balkon.
Die Nacht war noch schwarz.
Aber dort vorne würde die Sonne aufsteigen.
In der nächsten halben Stunde.
Dort, wo der Himmel schon leicht grau war.
Welch ein Tag!
Eine sanfte Brise wirbelte ihre Locken auf.
Sie war nicht müde.
Und sie war zufrieden.
Der Mann ihrer Träume gehörte ihr
Endlich
Margot langweilte sich.
Zwei Wochen war Max nun schon weg.
Südafrika.
Sie vermisste ihn.
Als Freund wie als Geliebten.
Vor allem als Geliebten.
Sie war wie eine Raubkatze.
Sie hatte immer Appetit.
Fast immer
Margots Zungenspitze leckte über ihre Lippen.
Ihre grünen Augen schweiften durch die Bar.
Ihr Blick blieb an einem dunkelhaarigen Mann hängen.
Er beobachtet sie schon die ganze Zeit.
Sie hatte es gewusst.
Eine Frau wie sie spürte das einfach.
Instinkt.
Sie schenkte ihm ein Lächeln
Der Mann nickte ihr zu.
Minuten später war er an ihrer Seite.
Seine grauen Schläfen machten ihn noch interessanter.
Fand Margot.
Darf ich Sie auf einen Drink einladen?
Er durfte
Lange nach Mitternacht nahm sie den Fremden mit ihr Haus.
Sie kamen nicht einmal ins Schlafzimmer.
Der Mann liebte sie auf dem Teppich vor dem Kamin.
Und er war einfach sensationell
Margot genoss jeden Augenblick.
Ein wenig Abwechslung war nie schlecht.
Sie liebte Max.
Abgöttisch.
Aber sie langweilte sich schnell
Und ein Mann wie dieser Unbekannte kam da gerade recht.
Morgens fröstelte sie.
Sie war die halbe Nacht nackt auf dem Teppich gelegen.
Der Fremde war weg.
Margot ging ins Schlafzimmer.
Das kümmerte sie nicht.
Sie hatte ihn nur gebraucht.
Nicht mehr.
Morgens rief Max an.
Liebste, ich komme früher.
Abends bin ich am Flughafen
Margot schnurrte wie ein zufriedenes Kätzchen.
Margot zitterte noch immer.
Es war stockdunkel.
Die Erinnerung ließ sie nicht los
Tage später waren sie essen gegangen.
Und plötzlich war ein Freund von Max an ihrem Tisch aufgetaucht.
Margot ballte die Fäuste in Erinnerung.
Es war der Unbekannte von neulich gewesen.
Ausgerechnet er.
Und der One-Nite-Stand war aufgeflogen.
Max war kalkweiß geworden.
Hatte wortlos den Tisch verlassen.
Und sie hatte ihn nicht mehr gesehen.
Er wollte sie nicht sprechen.
Er ignorierte die Nachrichten auf dem Anrufbeantworter.
Tränenreich und emotionell.
Er antwortete nicht auf ihre Emails.
Er war weg.
Wegen einer Affaire.
Obwohl er genau wusste:
Sie liebte im Grunde nur ihn
Wieder hörte sie Nora Jones.
Lehnte sich an die Balkontür.
Schluchzte haltlos
Ein Liebespaar küsste sich im Park.
Die jungen Leute knutschten auf der Parkbank.
So lange noch Nacht war
Plötzlich fuhren die beiden auseinander.
Das Mädchen blickte verschreckt.
Was war das?
Der Bursch zuckte die Achseln.
War wohl eine Fehlzündung.
So was klingt oft wie ein Schuss
Vergiss es.
Er beugte sich wieder zu ihr.
Setzte die Zärtlichkeiten fort
Bald würde es hell werden.
Und die Sonne ging auf
Vivienne
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