Die Chefsekretärin – Die bunte Welt von Vivienne

Vor ein paar Wochen war die Taufe des jüngsten Familienmitglieds bei Vicky und Bert gewesen: Sabrina, das kleine Mädchen, war Ende Jänner geboren worden. Per Kaiserschnitt, das war den Ärzten angesichts von Vickys fortgeschrittenem Alter als die beste Lösung erschienen. Vicky war es egal gewesen. Bikinifigur hatte sie ohnedies schon länger keine mehr, aber das wiederum hatte ihren Mann, Bert, nicht im Geringsten gestört… Bert hatte bei der Feier nach der Taufe eine kuriose Geschichte zum Besten gegeben, die sich in seiner Firma zugetragen  und die mich nachdenklich gestimmt hatte. Es war schon erstaunlich, wie sich der Charakter von Menschen in sogenannten „Menschlichkeiten“ zeigte, die eigentlich gar keine waren – sondern Anmaßungen…

Bert arbeitet schon seit ewigen Zeiten in seiner Firma in einem Vorort von Linz. Er hatte an sich immer das Arbeitsklima geschätzt, das aber auch nicht mehr so war wie bei seinem Eintritt… Die rechte Hand des Firmeninhabers, Marion Gutleber, mit Mitte zwanzig ins Unternehmen gestoßen, war mittlerweile auch schon Ende dreißig und quasi mit der Firma verheiratet. Von einer längeren Beziehung der dunkelhaarigen Schönheit mit der Lizenz zu endlosen Überstunden hatte man im Unternehmen nie etwas mitbekommen. Bert räusperte sich und prostete uns mit Prosecco zu. „Erstaunt hat das niemanden, es war ein offenes Geheimnis, dass sie in den gleichaltrigen Sohn des Firmenleiters, Tobias, verliebt war. Eine dumme Sache, sie war nicht sein Typ. Er stand nur auf vollbusige Blondinen. Einmal abgesehen davon, dass es seinem Vater nie gepasst hätte, wenn der Junior mit einer Mitarbeiterin angebandelt hätte. Besonders wenn es die Chefsekretärin gewesen wäre…“

Ich dachte nach über diesen Teil von Berts Geschichte. Mir war nicht ganz klar, warum diese Marion Gutleber nicht versucht hatte, über diese aussichtslose Liebe hinweg zu kommen. Nette Männer gab es doch genug und die waren auch eine erstrebenswerte Alternative zu den vielen Überstunden, die sie augenscheinlich unaufgefordert leistete… Vicky legte die schlafende Sabrina in den Kinderwagen zurück. Georg, der Sohn von Vicky und Bert, war ebenfalls schon auf der Couch eingeschlafen – der Tag war zu aufregend für ihn geworden… Bert reichte uns kleine Plätzchen. Dann besann er sich auf die begonnene Geschichte… „Nun die ersten Jahre schien Marion noch hoffnungsvoll, nach dem die erste Ehe von Tobias gescheitert war. Das rotblonde Busenwunder, mit der er eine Tochter hatte, hatte von einem Seitensprung erfahren… Diese Affäre hatte Tobias viel Geld gekostet, was ihn nicht hinderte, schnell Ersatz zu finden. Die Neue sah fast aus wie ein Klon ihrer Vorgängerin, und dürfte die sanften Hoffnungen von Marion im Keim erstickt haben… Will jemand ein Stück Kuchen?“

Albert, mein Mann, hob die Hand. „Hier!“ Vicky schenkte uns Kaffee ein und ich rührte in meiner Tasse um. Dumme Person! dachte ich mir zu Berts Geschichte über die Sekretärin seines Chefs. Man kann doch nicht sein Leben wegen eines einzigen Deppen verschleudern! Bert lächelte mich an. „Stimmt auch alles, Vivi?“ Ich musste lachen. Hatte er mir doch angesehen, dass ich über diese Marion nachsinnierte… „Deine Geschichte!“ Ich nahm einen Schluck Kaffee. „Ich kann das nicht nachvollziehen.“ Bert nickte. „Das konnten viele nicht. Auch Tobias selber nicht, denn wie die Kollegen hatte er keinen Zweifel, dass Marion nicht über ihn hinweg kam und deswegen auch keine andere Beziehung wollte. Schließlich redete er mit seinem Vater darüber und die beiden überlegten, wie sie der „armen“ Frau helfen könnten. So jung war sie auch nicht mehr… Ein wenig anmaßend, was sich die beiden da ausdachten. Denn, wenn du mich fragst: es ist trotzdem ihr Leben und wenn sie so leben wollte, war das ihre Sache…“

„Vater und Sohn haben sich etwas ausgedacht?“ Ich konnte meine Neugierde nicht verhehlen. „Was denn?“ „Du wirst es nicht glauben!“ fuhr Bert fort. „Sie kamen auf die Idee, Marion mit einem Geschäftspartner zusammen zu bringen, der seit Jahren eng mit der Firma meines Chefs kooperierte. Es wurde sogar öfter von einer Fusion der beiden Firmen gesprochen… Der Mann war Mitte Fünfzig, geschieden und hatte drei Kinder. Ideal, soll Tobias, gesagt haben: dann kommt sie wenigstens nicht auf die Idee eigene Kinder zu haben. Und ist weiter voll einsatzfähig für das Unternehmen – und darum, Vivi, ging es den beiden ja. Die Angst saß den Herrschaften im Hinterkopf, dass Marion wegen der unglücklichen Liebe zu Tobias doch einmal gehen würde… Und das wäre ein herber Schlag gewesen…“ Ich starrte Bert ungläubig an. „Aber nicht wirklich! Das ist doch eine gewaltige Frechheit! Dass sie dumm ist, wenn sie sich wegen dieses Tobias opfert, ist eine Sache. Aber ihr einen anderen Mann ins Bett zu legen, um sie in der Firma zu halten, ist anmaßend, schlichtweg anmaßend!“

„Beruhige dich!“ unterbrach mich Bert grinsend. „Der Plan ist ohnedies schief gegangen, denn Marion, die auch nicht dumm war, hat den Braten gerochen und sich verweigert. Sehr klug haben mein Chef und sein Sohn das auch nicht angestellt. Aber sie rotierten trotzdem, und wollten noch einen Versuch anstellen, diesmal mit mehr Nachdruck… Weißt du, Vivi, die beiden selbstherrlichen Kerle waren sich sicher, dass Marion nur einen leidenschaftlichen Mann brauchte, um von Tobias loszukommen. Bis Marion die Nase voll hatte und ihrem Chef erzählte, dass sie als junge Frau in ihrer Lehrzeit einmal schwanger gewesen war. Nach der Fehlgeburt war sie frigide geworden, auch Medikamente hatten das nicht mehr ändern können. Sie hatte einfach kein Interesse an Sex und die Gefühle für Tobias waren immer rein platonisch gewesen. Und ganz ehrlich: eine Beziehung, in der sie sich „besteigen“ ließ, um einem Partner das zu geben, was ihm wohl jede Gelegenheitsbekanntschaft „besser“ besorgen hätte können, hatte keinen Sinn… Da verstehe ich Marion. Tja, unseren Chef kenne ich wirklich gut, aber dass er auf so eine kranke, selbstherrliche Idee kommt, hätte ich auch nicht gedacht… Der Zweck heiligt die Mittel!“

Vivienne

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