Ein Kater und ein „heißer Ofen“

Mein Bruder fährt seit vielen Jahren und sehr gerne Motorrad. Er hat sich auch kürzlich wieder ein neues gekauft, aber auch das alte musste er immer wieder mit jemandem teilen: nämlich mit unserem Kater Stocki, der, glauben Sie es oder nicht, sehr gerne den „heißen Ofen“ mit Beschlag belegt. Ständig auf der Suche nach bequemen Plätzchen war ihm vor einigen Jahren bereits der Sitz des damaligen Motorrads meines Bruders ins Auge gestochen. Es war nur eine Frage der Zeit, dass uns das auch auffiel. Erschrak Stocki am Anfang noch, wenn mein Bruder in die Garage kam und ihn sozusagen auf frischer Tat ertappte, wurde der rote Kater bald immer unverfrorener.

Im Sommer, wenn mein Bruder sein Motorrad vor dem Haus aufgestellt hat, liegt der Kater oft eingerollt auf der schwarzen Sitzfläche und ruht sich aus. Ein Anblick für Götter: ich habe selten eine Katze gesehen, die eine solch ungewöhnliche Affinität zu Motorrädern pflegte. Aber der Anblick des Fahrzeugs ist Stocki natürlich längst vertraut, und er fürchtet sich auch nicht mehr davor. Der Gedanke, es sich dort breit zu machen, ist also im Grunde nahe liegend, – wie überall, wo es weich und warm sein kann: in einer alten Schuhschachtel, zum Beispiel, oder auf dem Ohrensessel meines Vaters im Raucherstübchen. Stocki kennt da keinen Genierer.

Auffällig ist nur, dass er fast immer gegen die Fahrtrichtung liegt. Aber das ist vermutlich weniger Absicht als Zufall und liegt daran, wie der Kater auf das Motorrad springt. Oder er möchte gern auch im Schlaf alles um sich im Blickfeld haben und das Motorrad steht meistens mit der Nase zum Haus. Also mutet es nur logisch an, wenn sich der Kater in der Gegenrichtung auf den Sitz legt, weil er von dort aus fast alles im Sichtfeld hat, was sich dem Haus nähert, auch andere Katzen oder Hunde. Wir haben wegen Stockis Vorliebe halb im Scherz schon überlegt, ob wir dem Kater nicht einen tollen, eigenen Helm verpassen, vielleicht in einem kessen Feuerrot, damit sich mein Bruder einmal mit ihm auf große Fahrt begeben kann. Es müsste entzückend aussehen, wenn der Kater diesen Helm trägt, ich fürchte nur, es wird eine Lebensaufgabe werden, ihm diesen aufzusetzen. Stocki kann schon zur beißenden Bestie werden, wenn man ihm nur ein Flohhalsband verpasst, glauben Sie mir…

Stocki darf man also daher fast als „Renntiger“ bezeichnen, aber unsere Susi zeigt bei aller Neugierde und angeborener Frechheit keine Ambitionen, ihm den Platz auf dem Motorradsitz streitig zu machen. Ganz im Gegenteil: sie geht dem Motorrad meines Bruders tunlichst aus dem Weg und auch dieses Verhalten lässt sich logisch erklären. Stocki ist ja bekannterweise mit den wechselnden Motorrädern meines Bruders aufgewachsen, sie sind ihm vertraut, seit er auf der Welt ist. Bei Susi trifft das hingegen nicht zu, und sie fürchtet das Motorrad meines Bruders nach wie vor. Oder besser gesagt, es ist ihr suspekt und sie „läuft“ ihm aus dem Weg. Genau aus diesem Grund „besteigt“ sie es auch nicht sondern ergreift viel lieber die Flucht, wenn mein Bruder auf dem „heißen Ofen heran reitet“. Vielleicht ist das auch ganz gut so, die beiden Katzen streiten ohnedies schon genug um die kuscheligsten Plätze im Haus…

Ob Stocki doch einmal eine „echte“ Fahrt auf dem Motorrad riskiert? Ich glaube nicht, auch nicht als Beifahrer – ihm ist das Fahrzeug nicht unheimlich, wenn mein Bruder darauf fährt, und er erkennt es auch sofort. Aber Draufliegen ist ihm, glaube ich, nur dann sicher genug, wenn das Motorrad still steht, ohne Auspuffgase und ohne Motorenlärm. Und genau darum werde ich auch immer um das Vergnügen kommen, den Kater einmal in dunkler Ledermontur und im Helm auf dem Motorrad „in action“ zu fotografieren. Wäre wohl ein toller Anblick, aber da muss ich wohl zuerst selber eine Geschichte darüber schreiben, die man in den Disney Studios einmal verfilmt, damit ich zu so einer Aufnahme komme: „Stocki, ein heißer Kater!“

Oder greife ich da nach den Sternen?

(C) Vivienne

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