Katerattacken, Teil2

Nein, Frieden war bei unseren Katzen noch nicht eingekehrt. In dem Maß, in dem sich unsere Susi heimischer fühlte, wuchs auch ihr Selbstbewusstsein. Sie liebte es, dem Kater aufzulauern, wobei vor allem sein langer, fuchsroter Schwanz zum Objekt ihrer Begierde avancierte. Susi, die mittlerweile in unserem Garten nicht nur Käfern und allerlei anderem Getier nachspürte, hatte es mit Vorliebe auf die verlängerte Wirbelsäule des Katers abgesehen, deren Spitze ständig zuckte und die ganze Palette von Stockis Gefühlen auszudrücken imstande war. Dass sie damit den roten Kater in höchste Rage brachte, nahm Susi dabei gerne in Kauf.

Sie fürchtete den Kater nicht ein bisschen, und auch wenn sie bisweilen einen gewissen Sicherheitsabstand einhielt, folgte sie ihm, der dreimal so groß war sie, auf Schritt und Tritt und genoss es sichtlich, ihn immer wieder beim Fressen zu stören. Neulich gerieten die beiden einmal mehr in heftigen Streit, wobei die Auseinandersetzung aber nur von Seiten des Katers als Krieg aufgefasst wurde. Für Susi war das Geplänkel ein lustiges Spiel. Und wenn sie Tatzenhiebe einstecken musste, machte ihr das wenig aus. Nach einem Moment Pause ging für sie die nächste Runde los. Diesmal knurrte aber Stocki bedrohlich und ich verfolgte beunruhigt, wie das Kätzchen den Kater bis aufs Blut sekkierte, weil sie es nicht besser wusste.

Schließlich fühlte ich mich genötigt einzuschreiten. Immerhin hatte Susi noch nicht einmal die Größe jener Hasen erreicht, die Stocki bisweilen schon erlegt hatte. „Ruhe ist!“ Ich trat zwischen die beiden Streithähne und wandte mich zu Stocki, dessen grüne Augen wie die eines Raubtieres bedrohlich leuchteten. Er sprang los und hieb und biss zu meiner Verwunderung auf meine Hände und Arme ein, denn ich hatte mich nach unten gebeugt um ihn weg zurück zu schieben. Ich war total verdutzt über dieses Verhalten Stockis. „Bist du wahnsinnig geworden?“ fuhr ich ihn an, wobei ich die Tatsache ignorierte, dass er mich gar nicht verstehen konnte. Stocki knurrte, dann riss ich den Kater endgültig von mir weg weg, wobei sich eine Kralle in meinem Handrücken verfangen hatte und mit sanftem Druck gelöst werden musste.

Ich warf dem Kater einen bösen Blick. Stocki schreckte zusammen, ein Zucken ging durch seinen Körper mit dem gesträubten Fell. „Mistvieh!“ ließ ich ihn wissen, dann musste ich als allererstes einmal mich verarzten. Nichts Schlimmes war passiert, aber ich blutete und ich musste die kleinen Wunden desinfizieren. Mein Bruder, der Susi in den Garten verfrachtet hatte um für Ruhe im Katzengeschwader zu sorgen, begann sich zu sorgen. „Und wenn er nun Tollwut hat? Normalerweise beißt er doch nicht!“ Der Gedanke beschäftigte mich allerdings nicht ernsthaft. Stocki war auf’s Äußerte gereizt gewesen, als er auf mich losgegangen war, er hatte nicht mich, sondern die kleine Katze gemeint, als er mich gebissen und gekrallt hatte. Außerdem hatte er zuletzt wohl allgemein ein paar empfindliche Niederlagen in Sachen Revierkampf einstecken müssen.

Die Wunde an der Nase neulich, als ich den Tierarzt gerufen hatte (Tierarzt, bitte kommen!), legte beredtes Zeugnis dazu ab. Armer Kater! Ich war ihm gar nicht mehr böse! Er war jetzt ein Kater in einem gesetzten Alter und erinnerte sich mit Sicherheit nicht mehr daran, wie er selber als Kätzchen gewesen war. Nämlich noch viel verspielter als Susi und sein Jagdinstinkt war noch viel stärker als bei Susi ausgeprägt gewesen. Ich klebte ein paar kleine Pflaster auf meine Kratzer und sah nach dem Roten. Er war jetzt wieder mit Fressen beschäftigt, denn Susi störte ihn nicht mehr. Ich sah ihm eine Weile zu bis er sich nach dem ausgiebigen Mahl wieder hinsetzte und sich zu putzen begann.

Ich rief seinen Namen, er drehte sich zu mir und „zitterte“ mich in alter Manier mit weit geöffnetem Kiefer erfreut an. Dann strich er um meine Beine und begann zu schnurren. Nein, Tollwut hatte der Kater sicher nicht, aber ein Herr in seinem Alter, ein Einzelgänger noch dazu, hatte halt Anpassungsschwierigkeiten, mit einem Kätzchen fertig zu werden, das ihm seine Position bei uns streitig machte. Sicher hatte der Kater unorthodox reagiert, aber bösartig war er nicht, mein Stocki, dafür wagte ich es meine Hand ins Feuer zu legen!

Vivienne

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