Das Dilemma – Die bunte Welt von Vivienne

Albert gähnte unverhohlen. „Sauwetter! Was tun wir heute? Wir könnten ja…“ fuhr er grinsend fort, „…dort weitermachen, wo wir heute Morgen aufgehört haben bevor wir frühstücken gegangen sind. Was meinst du?“ Ich erwiderte seinen liebestollen Blick zärtlich. „Ganz bestimmt sogar! Aber jetzt trinke ich noch eine Tasse Kaffee und esse noch ein paar Keksi, mein Schatz, und dann bin ich für Genüsse anderer Art gerne offen…“ Ali lachte und zog mich wortlos auf die Couch, obwohl ich halbherzig protestierte. Eben wollte er mir meine Pyjamajacke ausziehen, als es an der Tür läutete. Ich zupfte den Pyjama und die Frisur zurecht und mein Mann marschierte etwas gedämpft zur Tür. Einer unserer Nachbarn stand dort. Er sah traurig aus, irgendwie sogar verzweifelt. Sein Hemd hatte er, wie ich von der Entfernung erkennen konnte, tatsächlich falsch zugeknöpft. Während ich zu grübeln begann, was dem Mann zugestoßen sein konnte, fing er zu reden an… Zitternd, und wie ich schnell merkte, voller Selbstmitleid…

Ali warf mir einen aufgebrachten Blick zu, aber er bat den Mann herein. Sein Name war mir eben wieder eingefallen. Harald Dietrich, genau, und seine Frau hieß Helga… Harald Dietrich verdrückte ein paar Tränen. Er ließ sich auf unsere Couch fallen, auf der Albert und ich vorhin noch Morgengymnastik betreiben wollten. „Ich bin betrogen worden, ich bin so enttäuscht… Danke, dass Sie mir zuhören!“ Albert  war mit dieser Formulierung nicht ganz einverstanden, seine Augen und  seine Mimik sprachen Bände. Aber er sagte nichts, während ich dem Mann, der am ganzen Leib zitterte, ein paar Kekse anbot. Ali lachte als er meine Bemühungen bemerkte, die Herr Dietrich gar nicht wirklich registrierte. So sehr war er mit sich selbst beschäftigt. „Also, Herr Nachbar – was ist passiert? Worüber wollen Sie reden?“ riss Albert die Initiative an sich.

Herr Dietrich seufzte schwer. „Meine Frau hat mich betrogen. Wer weiß, wie lange schon!“ Sein Blick war zum Boden gerichtet und seine Stimme klang leise. Albert und ich sahen uns irritiert an. „Sind Sie sicher?“ warf ich ein. „Man sollte vorsichtig sein, mit solchen Behauptungen – das könnte eine Ehekrise auslösen!“ „Die Krise habe ich schon!“ widersprach mir Dietrich verbittert. „Und ich weiß es sicher. Sehen Sie, Helga hat mich mit Chlamydien angesteckt. Und ich bin nie fremd gegangen.“ Er stand feierlich auf. „Ich schwöre es!“ Ali hätte beinahe gelacht angesichts der Theatralik, die in dem Auftritt des Mannes zu Tage trat. Gott sei Dank hatte Harald Dietrich im Rücken keine Augen, darum blieb ihm der fast geräuschlose Heiterkeitsausbruch meines Mannes verborgen. Abgesehen davon hatte der Mann Recht, wenn er an Chlamydien litt – und wie ein notorischer Fremdgänger sah er wirklich nicht aus – musste ihn seine Frau angesteckt haben. Und das war in der Tat schlimm…

Dietrich schilderte, dass er immer geglaubt hatte, eine gute Ehe zu führen. Vor ein paar Wochen hatte er Probleme beim Harn lassen bekommen. Sein Hausarzt hatte ihn an den Urologen überwiesen und der hatte die Geschlechtskrankheit diagnostiziert… „Eine Welt ist für mich zusammengebrochen…“ Dietrich hatte sich wieder gesetzt und schnäuzte in sein kariertes Taschentuch. Tränen flossen wieder über sein Gesicht. Er begann zu schluchzen und zitterte am ganzen Körper. Ali war das sichtlich zu dumm. „Na na, Herr Nachbar!“ Ich merkte, dass er Dietrich schnell loswerden wollte. „Reden Sie doch mit ihr! Und so ein Seitensprung… einmal ist kein mal! Denken Sie dran, einen Fehler macht jeder!“ Jetzt hätte ich beinahe gelacht. Der ach so verständnisvolle Albert würde mich bei einem Fehltritt sofort erschießen und vorher noch seinen Nebenbuhler…

Herr Dietrich blickte auf, und sein Gesicht verzog sich schmerzverzerrt. „Das wollte ich ja. Ich wollte reden mit Helga. Aber da hat sie mir eröffnet, dass sie mich schon lange nicht mehr liebt… Stellen Sie sich vor, sie hat mich verlassen, Freitagabend. Einen Koffer gepackt und ohne ein Wort gegangen – zu ihrem Liebhaber…“ Dietrich weinte wieder. Er konnte sich kaum beruhigen. Albert schnaubte, die Sache begann ihn zu nerven und ich konnte in seinem Gesicht lesen, dass er nur noch nach einen Vorwand suchte um den armen, betrogenen Ehemann rauszuwerfen. Sein Mitleid hielt sich in Grenzen, vielmehr war er weit mehr daran interessiert, mich endlich aus meinem Pyjama zu schälen. Und dabei hatte uns Herr Dietrich vorhin gestört, mittlerweile empfindlich… Ich räusperte mich. „Das ist schlimm, Herr Dietrich. So was tut weh. Wissen Sie was? Sie brauchen eine Selbsthilfegruppe um das zu verarbeiten. Und mit anderen Betroffenen darüber zu reden! Suchen Sie sich doch im Internet eine passende hier in der Stadt, da werden Sie sicher schnell fündig.“

Unser Nachnbar sah mich mit großen Augen an. „Das ist eine gute Idee! Wirklich gut – ich danke Ihnen, meine Gnädigste. Sie haben mir sehr geholfen. Tausend Dank!“ Tatsächlich schlurfte Herr Dietrich gleich hinaus und ich musste schmunzeln, als er die Tür ins Schloss fallen ließ. In diesem Moment spürte ich einen sanften Würgegriff um den Hals und jemand hielt mir den Mund zu. Eine bedrohlich sein wollende Stimme flüsterte mir ins Ohr. „Du bist meine Gefangene, meine Sklavin und du musst mir zu Diensten sein. Und vergiss nicht, ich habe hohe Ansprüche, und großen Appetit auf deinen Körper…“ Albert, der Kindskopf! Er schleifte mich ins Schlafzimmer und befreite mich sehr schnell von meinem Pyjama – und von allen Hemmungen…

Vivienne

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